Peter Tepe

Überblick, Uni-Special WS 1988/89 No. 2

Mythos, aktuell

von Svenja Klaucke

Die Universitäten des Landes sollen sich auf Weisung des Wissenschaftsministeriums um Reformen bemühen. An der Heinrich-Heine-Universität ist – verankert im Fach Neuere Germanistik sowie Philosophie und Medienwissenschaften – mit dem „Interdisziplinären Studien- und Forschungsschwerpunkt Mythos/Ideologie“ von Prof. Peter Tepe über zehn Jahre ein relativ einmaliges Modellprojekt aufgebaut worden, das nicht „von oben“ initiiert wurde, sondern von jemandem aus dem Mittelbau. Eine größere und vorbildliche Reformperspektive „von unten“, deren Erhalt möglicherweise gefährdet ist. Svenja Klaucke sprach für das Uni-Special mit Prof. Tepe.

Uni-Special: Herr Prof. Tepe, Ihr Studien- und Forschungsschwerpunkt Mythos/Ideologie gilt als Modellversuch zur Verbesserung des Studiums. Welche Probleme sahen Sie da?

Peter Tepe: Vor allem geht es uns um die Optimierung des Hauptstudiums. Als wir ’87 damit anfingen, gab es für die Studierenden keine Möglichkeiten, kontinuierlich zu arbeiten, es bestand die Gefahr, daß die Studierenden in einem zusammenhanglosen Angebot verschiedene Bereiche nur zufällig, punktuell oder oberflächlich kennenlernen, sich verzetteln. Unser Hauptanliegen war es, eine längerfristige und von vorneherein auf das Examen ausgerichtete fachliche Orientierung zu bieten, was voraussetzte, daß regelmäßig Lehrveranstaltungen angeboten werden, die eine gewisse Zusammengehörigkeit haben, auf der aufgebaut werden kann. Mittlerweile haben wir einen Seminaranteil von 14 bis 20 Wochenstunden mit Lehraufträgen, Arbeitsgruppen, Tutorien usw…

Uni-Special: …ergänzt durch eine Vielzahl weiterer Angebote.

Peter Tepe: Ja, es gibt eine umfangreiche Literaturliste für Spezialliteratur, es gibt Ausleihmöglichkeiten von gelungenen Seminar- und Examensarbeiten, es gibt einen studentischen Arbeitskreis Mythosforschung, in dem Examensarbeiten vorgestellt werden, neuerdings haben wir einen Stammtisch, wo Grundlagenfragen für die Lehrenden selbst diskutiert werden, und wir geben den Studierenden Publikationsmöglichkeiten, z.B. durch Rezensionen im „hauseigenen“ Jahrbuch (aktuell „Mythologica 6“) und durch in Aufsatzform gebrachte Magisterarbeiten, von denen Ende des Jahres wieder ein neuer Sammelband „Arbeiten aus dem Schwerpunkt Mythos/Ideologie 1“ erscheinen wird. Das sind auch für die berufliche Zukunft wichtige Erfahrungen.

Uni-Special: Darüber hinaus haben Sie mit Ihren Mitarbeitern jetzt auch eine neue Lehr- bzw. Studienstruktur konzipiert.

Peter Tepe: Ja, sie soll in den nächsten Jahren Schritt für Schritt umgesetzt werden, um eine größere Absicherung von Basiswissen, ein effektiveres, gründlicheres Lernen und einen schnelleren Durchlauf zu ermöglichen. Sie sieht zwei Studienwege – Mythosforschung und Ideologieforschung – vor, die aus jeweils vier Phasen bestehen, die ineinandergreifen. So kann auch eine intensivierte, spezifizierte Studienberatung stattfinden, an genau dem Punkt, wo sich der Studierende gerade befindet und die den Übergang zur nächsten Phase thematisiert und vor allem den gleitenden Übergang zu Examensthema und Examen. Und zwar in relativ knapper Zeit auf hohem Niveau, wenn es denn gewünscht wird. Dazu kommt auch eine intensive Prüfungsvorbereitung durch einen Probelauf.

Uni-Special: Der Schwerpunkt bietet auch interdisziplinäre Orientierungen. Wie sehen diese konkret aus?

Peter Tepe: Ich bemühe mich um eine längerfristige Kooperation mit anderen Disziplinen wie Geschichte, Medienwissenschaften, Erziehungswissenschaften, Sportwissenschaften oder Religionswissenschaften und zwar über regelmäßig stattfindende fächerübergreifende Lehrveranstaltungen. Das erwies sich bereits als sehr produktiv, so gingen aus dem Hauptseminar „Mythos und Nationalsozialismus“ auffallend viele Seminar- und Examensarbeiten hervor. Der Erkenntnisstand der Veranstaltungen bleibt dabei über die Beiträge in den Jahrbüchern dauerhaft greifbar. Mir ist wichtig, die Interdisziplinarität in der Einstellung, im Grundhabitus der Studierenden zu verankern. Deswegen muß man diese fächerübergreifenden Seminare auf Dauer stellen.

Uni-Special: Die Fragestellungen ihrer Mythos-Forschung gehen ja über die traditionalistische, altertumswissenschaftliche Verarbeitungen mythischer Stoffe und Gestalten weit hinaus.

Peter Tepe: Ich begreife Mythosforschung hauptsächlich als eine aktuelle Disziplin, vielleicht kann man das am Beispiel des im Oktober beginnenden Seminars über Mythen in Geschichte und Politik zeigen. Z.B. spielen im politisch-gesellschaftlichen Raum bestimmte Symbole eine große Rolle, so im Nationalismus des 19. Jahrhunderts, etwa die alte Geschichte von Hermann dem Cherusker, im Befreiungskampf instrumentalisiert und für den gesamten Nationalismus dann wirksam geworden. Das sind mythische oder mythenähnliche Gestalten, die für die praktische Politik, für das Selbstverständnis eine entscheidende Rolle spielen. Oder auch historische Ereignisse – wie der Sturm auf die Bastille – die zum Identifikationsereignis werden, so etwa der Sieg in der Fußballweltmeisterschaft ’54 als Symbolereignis für den Wiederaufstieg Deutschlands. Solche Zentralmythen kann man in jeder Gesellschaft, in jeder Kultur auf verschiedenen Ebenen erforschen. Und von da aus können auch Gesamtstrukturen der Entwicklung einer Nation mit verständlich gemacht werden.

Uni-SpeciaI: Der Studienschwerpunkt fordert Ihnen und Ihren Mitarbeitern einen hohen Arbeitsaufwand ab. Fühlen Sie sich mit Mitteln ausreichend unterstützt und ist das Fortbestehen für die Zukunft gesichert?

Peter Tepe: Es geht gar nicht um die Frage zusätzlicher Mittel, meines Erachtens ist die Situation sehr viel dramatischer. Ich selbst habe keine eigenen Ressourcen und konnte das Modell nur so intensiv und Studierenden-ausgerichtet betreiben, weil Prof. Herbert Anton mir von seinen eigenen Stellen und Stunden immer etwas überlassen hat. Das bedeutet aber, daß alles in der Substanz bedroht ist, wenn Prof. Anton im Februar 2001 emeritiert werden wird. Wir bemühen uns bereits, den Schwerpunkt auf irgendeine Weise festzuschreiben, zu retten, so daß er auch nach diesem Zeitpunkt bestandsfähig ist. Bisher waren Drittmittel-Versuche aber noch nicht von Erfolg gekrönt.