Peter Tepe

Westdeutsche Zeitung vom 20. Oktober 1993

Mit der Kröte Wissen schlucken

Germanist Peter Tepes originelle Mythenlehre

von Ute Christine Bakus

Im Jahr Eins nach der Katastrophe: Ein Igel und eine Kröte flüchten sich in eine Höhle, in der ein Rattenpaar neben Futtervorräten auch das gesammelte Wissen der Kröten über Mythen vor dem Verderben bewacht. Als Entgelt für Dach und Nahrung verlangen die Ratten von den beiden Unterhaltung und Belehrung.

So das Szenario der „Theatralischen Vorlesung zur Einführung in die Mythologie“, mit der der Germanist Peter Tepe Neuland im Universitätsbetrieb entdeckt. Wo sonst Professoren als Alleinunterhalter ihr Wissen an Studenten weitergeben, wagt Tepe die Verbindung von Wissenschaft und Schauspielkunst: Die theoretischen Überlegungen zum Mythos werden in die Geschichte der vier Tiere eingebettet.

Tepe hält als weise Kröte („Er weiß eine Menge, der Alte. Aber manchmal ist er so trocken!“) den wissensdurstigen, aber unkundigen Ratten kleine Vorträge. Ihm assistiert der schlaue Igel, der der etwas weltfremden Kröte geschickt über einige Fettnäpfchen hinweghilft und sie so vor dem Zorn der Ratten bewahrt.

Auf diese Weise erfahren wir, daß Mythen Geschichten über Götter, Dämonen und Heroen sind, mit denen Menschen sich ihre Welt erklären. Auch die Abgrenzung des Mythos von der Mythologie, das heißt dem theoretischen Nachdenken über Mythen, und was es mit dem mythischen Bewußtsein auf sich haben könnte, werden als „fröhliche Wissenschaft“ vorgetragen. Die Anlehnung an den Querdenker Nietzsche findet sich dabei auch im Titel der Veranstaltung („Mythisches, Allzumythisches“) wieder.

Die unterhaltsame Lehrform bleibt indes nicht in einer Show stecken: Die Tierdialoge reflektieren und spiegeln die Theorie, setzen sie ins Leben um, indem die Tiere ihre Mythen selbst erzählen. So wird statt Wissenserlernung eine Erfahrung möglich: Mythen spiegeln die Selbstvergewisserung einer Kultur in einer bestimmten historischen Situation wider.

Auch in der Organisation beschreitet Tepe neue Wege: Nur den theoretischen Teil hat er alleine konzipiert, die von den Tieren erzählten Mythen schrieb Yoshiro Nakamura, die Dialoge Helge May, der auch den Igel spielt. Das Schauspielerquartett komplettieren Sabine Jambon und Ingo Toben als Rattenpaar. (Montags 14-16 Uhr. Heine-Universität, Gebäude 23.21. Hörsaal 3H).