Peter Tepe

Rheinische Post Nr. 12 vom 15. Januar 1996

Neue Wege zum Lernen an der Heine-Universität

Masken im Hörsaal

von Gerda Kaltwasser

Die Universitäten platzen aus den Nähten. Abiturienten lassen sich auch durch erschwerte Studienbedingungen nicht davon abbringen, ein Studium wenigstens zu versuchen. Steigende Abbrecherzahlen aber machen deutlich, daß da etwas nicht stimmt.

Was? Reicht das Geld nicht? Ist der Lehrbetrieb zu unpersönlich und unübersichtlich? Schwinden die Berufschancen ins Undefinierbare? Kommt das alles zusammen und raubt den Studenten (die -innen sind mitgemeint) die sogenannte Motivation?

Neue Wege muß die Wissenschaft gehen, um zu den Menschen zu gelangen, die sie in sich aufnehmen und später wieder abgeben sollen. Hören, lesen, lernen allein tut’s nicht mehr. Sollte das daran liegen, daß wir nicht mehr hören, lesen, lernen können? Professor Dr. Peter Tepe, Germanist an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, versucht es mit neuen Formen der Lehre, will trotz mitleidigen Lächelns der Kollegen an anderen Kathedern nicht aufgeben. Nicht einmal diese Behauptung eines Akademikers kann ihn beeindrucken:

„Für mich hätte der Proff sich nackt ausziehen können; wenn sein Fach und seine Vorlesung mich nicht interessiert hätten, dann wäre nichts hängengeblieben.“

Nun, Professor Tepe ist weit davon entfernt, sich auszuziehen. Eher im Gegenteil. Er und seine Assistenten verkleiden sich, ziehen Masken übers Gesicht, zelebrieren Wissenschaft mit verteilten Rollen auf der Hörsaalbühne. Auch moderne Licht-, Ton- und Wiedergabetechnik wird eingespannt. Tepe beschäftigt sich mit alten und neuen Mythen. Ein Feld, das sich fürs Rollenspiel zweifellos eher anbietet als Versfußzählerei. In dem Buch „Mythisches, Allzumythisches – Theater um alte und neue Mythen“ (Melina Verlag, 26,80 Mark) kann das Vorlesungsschauspiel nachgelesen werden.

Zweifellos, das Spiel hat allen Spaß gemacht, auch den passiv Miterlebenden, den Studenten. Aber Tepe ist nicht der Geist von Hamlets Vater, sondern ein nüchterner Mythos-Theoretiker. Und so urteilt er, daß ein Vorlesungstheater oder Vorlesungskabarett die Ausnahme sein sollte, Festival als Unterbrechung des Vorlesungsalltags sozusagen, amuse gueule, Gaumenreiz.

Dem Theaterversuch war eine dialogische Vorlesungsreihe vorausgegangen, Vorlesung mit verteilten Rollen. Das war weniger aufwendig und hat sich nach Tepes Erfahrung bewährt. „Uneingeschränkt zur Nachahmung empfohlen“ sei dieses alternative Vorlesungsmodell. Wobei es geradezu selbstverständlich ist, daß die Hörer Wünsche äußern, Verbesserungen vorschlagen können. Ein wichtiger Weg, aus einem unübersichtlichen und unpersönlichen Studienangebot sich ein Studium sozusagen maßzuschneidern.

Kein einfacher Weg übrigens für den Professor. Der ist aber insgesamt zuversichtlich. Von zwölf angeschriebenen Hochschulen mit Lehrangeboten in Didaktik hatten vor kurzem schon acht Interesse an den praktischen Versuchen mit alternativen Vorlesungsmodellen der Heine-Uni signalisiert.