Peter Tepe

Magazin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Ausg. 3-99

Vom Kindermädchen zum Mythos: Lady Di

Prof. Tepe untersucht Verklärung von Personen und Ereignissen

von Bärbel Broer und Michael Dlugosch

Was haben Lady Di, das „Wunder von Bern“ und die Gründung der Bundesrepublik gemeinsam? Sie werden verklärt. Sind sie deshalb aber auch Mythen? Der „Interdisziplinäre Studien- und Forschungsschwerpunkt Mythos/ Ideologie“ unter Leitung von Prof. Dr. Peter Tepe befaßt sich mit den Phänomenen der Verklärung von Personen und Ereignissen.

Unter den Objektiven hunderter Fotografen trafen sich 1997 zwei berühmte Frauen in New York. Sie tauschten dort Erfahrungen über ihr humanitäres Wirken aus. Was zu dem Zeitpunkt noch niemand ahnte: Beide, Prinzessin Diana und Mutter Teresa, waren ein halbes Jahr später tot. Vor kurzem ergab eine Umfrage des Instituts für Demoskopie in Allensbach, daß sie zu den zwei wichtigsten Vorbildern für die junge Generation zählen. 33 Prozent der deutschen Jugendlichen bewundern Diana. Mutter Teresa führt gar die Namensliste an. Sie wurde von 48 Prozent der Befragten genannt. Schon zu Lebzeiten wurden Diana Spencer und Agnes Gonxha Bojaxhiu verehrt. Ihr Tod bewegte die Welt.

Sind die Adlige und die Ordensfrau deshalb nun Mythen, liegt eine Mythisierung vor? Prof. Dr. phil. Peter Tepe klärt zunächst den Begriff „Mythos“, „der geradezu chaotisch verwendet wird“. Darunter werde in den Medien, aber auch in der Wissenschaft, vielerlei verstanden: ein Irrtum, ein Bild, ein Image, ein Lebensmuster, ein Symbol, eine Grundvoraussetzung, ein tradierter Sinnhorizont. „Deshalb ist ein ungeklärter Gebrauch des Mythos-Begriffs wissenschaftlich wertlos“, so Tepe. „Das Stichwort ‚Mythisierung‘ dient lediglich als Sammelname für unter schiedliche Arten des Umgangs mit Personen und Ereignissen.“

Bereits vor zwölf Jahren verankerte der Germanist und Philosoph diesen Forschungsschwerpunkt Mythos/Ideologie an der Heinrich-Heine-Universität, der sich mit Vorurteilen, Illusionen, Ideologemen und immer wieder auch „Mythisierungen“ befaßt. Vom Kult um Napoleon über die Gründung der Bundesrepublik bis hin zu den „Mythen in Tüten“ – so ein Buchtitel über Popstars.

Prof. Tepe nennt als Beispiel das „Wunder von Bern“: Der überraschende Sieg der deutschen Fußball-Nationalmannschaft im WM-Endspiel 1954 gab den Deutschen neun Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg das Gefühl „Wir sind wieder wer“. Die Spieler wie Fritz und Othmar Walter oder Toni Turek wurden zu „öffentlichen Symbolfiguren“, so Prof. Tepe, sie „symbolisierten den deutschen Wiederaufstieg und stärkten das nationale Selbstbewusstsein“.

Wichtig sei vor allem eine ganz bestimmte Sinn-Besetzung, so Tepe, und nennt als weiteres Beispiel Napoleon. „Bonaparte wurde von vielen Anhängern zum politischen Messias verklärt, während etliche Gegner ihn – vor allem in den Befreiungskriegen – als eine Art Dämon anprangerten.“ Die Erinnerung an seinen übermächtigen Einfluß ist bis heute geblieben.

In der Gegenwart sind es dagegen nicht mehr die politischen Persönlichkeiten, um die sich Legenden ranken. Nach dem Ende des „Hitlerkults“ fand ein Umdenken statt. Sport- und Popidole begeistern jetzt die Massen bis zur Hysterie. Michael Jacksons verschiedene Auftritte bei „Wetten, daß...?“ sprechen für sich. Welche Rolle die Medien bei der Mythisierung spielen, untersucht ein fächerübergreifendes Hauptseminar im Sommersemester 1999, von Prof. Tepe gemeinsam mit Marc-Sebastian Göllner veranstaltet, am Beispiel Boris Becker. „Gerade bei Sportlern wie Becker spielt die Vor- und Leitbildfunktion eine erhebliche Rolle. Wer als Jugendlicher von 17 Jahren Wimbledon gewinnt, drängt sich für Sinn-Besetzungen diverser Art geradezu auf.“ Hinzu kam Deutschlands Erfolglosigkeit im Tennis in den Jahren zuvor. Das kraftvolle Aufspiel des jungen Leimeners entschädigte für diese Durststrecke und erzeugte emotionale Beteiligung. Eine clevere Vermarktungsstrategie nutzte diese Aspekte aus und tat ihr übriges.

Demnächst wird das Buch „Mythos & Literatur“ erscheinen – eine Einführung in die literaturwissenschaftliche Mythosforschung, in der die Legendenbildung um Personen nur eine Nebenrolle spielt. Im Mittelpunkt steht die Verarbeitung mythischer Figuren und Denkstrukturen in der Literatur und anderen Künsten.