Detlef Hammel

Werte-Orientierung und Werte-Wandel
Folgerungen für die Lehrerausbildung

Fortbildungsveranstaltung für Leiterinnen und Leiter
von Hauptseminaren der Bezirksregierung Düsseldorf
09. – 11. Januar 2001 in Mülheim an der Ruhr

Mittwoch, 10.01.2001 Workshop zum Thema
Zukunftsorientierte Suchtprophylaxe an der Schule

 

1) Begrüßung; Vorstellungsrunde (17 TeilnehmerInnen)

2) Überblick über Wandel suchtprophylaktischer Arbeit an der Schule:

- 70er Jahre: Abschreckung (Bilder/Filme von Raucherbein, -lunge), Problem: Gruseleffekt aber keine Abkehr von Suchtmittelkonsum

- 80er Jahre: Information (Anhäufung lexikalischen Wissens), Problem: Bagatellisierung der zum Teil verheerenden Folgen von Suchtmittelkonsum für Jugendliche; Wecken von Neugier

- 90er Jahre: Verknüpfung von Lebenssituation und Suchtmittelkonsum ("Sucht hat immer eine Geschichte"), Problem: zeit- und arbeitsintensives, integratives Konzept mit verschiedenen Interaktionspartnern (Schule, Beratungsstellen, Betroffene Suchtkranke, Polizei, Mediziner, Sozialarbeiter, Sportvereine, Krankenkassen, etc.).

- 2000ff: Integration von Suchtprophylaxe, Gesundheitserziehung, Streit-Schlichter-Programmen etc.

3) Konkrete Entwicklung der Arbeit an der Gustav-Heinemann-Schule: Mediatorengruppe
"free-ks" (Lehrer-Schüler-Arbeitsgruppe in Zusammenarbeit mit einem Gestalttherapeuten: Hans-Jürgen Gass von der Sucht- und Jugendberatungsstelle ginko/MH) geht punktuell auf Anfrage in Klassen und führt interaktionsorientierte Aktionen durch; ältere Jugendliche: Mediatoren (peers) stehen als AnsprechpartnerInnen für jüngere Schüler zur Verfügung; Problem: "Tropfen auf den heißen Stein" bei punktuellen Aktionen; teilweise Ausnutzung als "Stundenfüller".
Langzeitstudie in einer ausgewählten Projektklasse vom 5. bis zum 11. Jahrgang Klassenlehrerin ist Beratungslehrerin für Suchtfragen und Mitglied der free-ks: Brigitte Nagel-Clemens), wissenschaftlich begleitet von RISP (Rhein-Ruhr-Institut für Sozialforschung und Politikberatung e.V. Duisburg); Problem: extremer personeller und zeitlicher Aufwand, qualifizierte Ausbildung älterer Jugendlicher.
Praktikable Essenz der Langzeitstudie: "Check it!" Kooperationsprojekt der Gustav-Heinemann-Schule und der Beratungsstelle ginko; Integration schulinterner und schulexterner Ressourcen; Beteiligung der Teamkollegen einer Klasse und externer Partner (Beratungsstelle, Polizei, Betroffene, etc.)

4) Konsumprofil als Beispiel für suchtprophylaktische Arbeit mit einer Klasse:
Vorteil: Anonymisierter Einstieg in die Arbeit mit unbekannten Lerngruppen; Probleme: Aufrichtigkeit bei der Beantwortung; Frustration beim Vergleich von SchülerInnen der Klasse mit den anderen (So viele haben schon geraucht/gekifft/etc. und ich noch nicht!); Sport als gleichberechtigte Größe neben Suchtmitteln (Alkohol, Cannabisprodukte, etc.).

5) Warming up:
Beispiel 1: Trainiere deinen Kopf (Lustiges Konzentrationsspiel): Ein Teilnehmer wird ausgewählt und zeigt der Reihe nach auf Buchstaben des Alphabetes. In der Reihe darunter stehen folgende Anweisungen: L = linkes Bein heben; R = rechtes Bein heben und Z = mit beiden Beinen hüpfen. Die Klasse stellt sich auf. Beim Buchstaben "M" zum Beispiel heben alle das linke Bein, beim Buchstaben "B" das rechte Bein und beim Buchstaben "T" hüpfen alle mit beiden Beinen usw.
Folie:
A B C D E F G H I J K L M N O P W Q R S T U V W X Y Z
L R L L Z R L L L R Z R L L R L Z R R L Z L L R R L R

L = linkes Bein heben
R = rechtes Bein heben
Z = mit beiden Beinen zusammen hüpfen
Beispiel 2: Ich schenke dir einen Begriff (Schnelles Konzentrationsspiel): Zu einem Oberbegriff (z. B. Tier) werden von Teilnehmer zu Teilnehmer Begriffe verschickt. Wer einen Begriff bekommen hat, legt in der ersten Runde die Hand auf den Kopf; wenn alle einen Begriff bekommen haben und einen weiter geschickt haben, schickt der letzte Teilnehmer seinen Begriff zu Spielleiter. Die Runde wird mehrfach geübt. Eine zweite Runde mit einem anderen Oberbegriff (z.B. Pflanze) wird begonnen. Die zweite Runde wird eingeübt. Beide Runden werden gleichzeitig in die Gruppe gegeben (Chaos!).

6) Suchtsack: Auseinandersetzung mit Suchtmittelkonsum (Nicht mehr dogmatische Abstinenz, sondern kontrollierter Gebrauch!) Großer Stoffbeutel mit Symbolen für unterschiedliche stoffliche und nichtstoffliche Suchtmittel; Setting: Stuhlkreis, Schweigepflicht aller TeilnehmerInnen vereinbaren; Suchtsack wird herumgereicht und jeder nimmt die Gegenstände aus dem Beutel, die er benutzt; anschließend Gespräch über Situationen, in denen Suchtmittel benutzt werden; danach: Gegenstände werden in Beutel zurückgelegt und an nächsten Teilnehmer weitergereicht; Probleme: Gefahr der Überschätzung von BerufsanfängerInnen: Befürchtung, es könnten nicht mehr kontrollierbare Prozesse in Gang gesetzt werden (Mobbing durch MitschülerInnen); Verletzung der Schweigepflicht.

7) Elternabend: Elternabend als Klassenelternabend: Einstieg mit Plakat der Roten Reihe von "Sucht hat immer eine Geschichte": Weißt du eigentlich was ich fühle?" Eltern sollen sich mit eigenem Kind identifizieren und überlegen, wie sich ihr Kind fühlt. Offen formuliert - meist in Bezug auf Schule, Elternhaus, Freundeskreis. Anschließend erfolgt Austausch und "Smiley-Modell": Verhaltenspsychologische Interpretation von süchtigem Gebrauch stofflicher und nicht-stofflicher Hilfsmittel. Elternabend als Stufenelternabend, zum Beispiel: Kleine Szene wird vorgespielt - Eltern werden vorher aufgefordert, sich mit bestimmter Person in Szene zu identifizieren - Gespräch über Szene und Wirkung auf Eltern; Variante: Provokante Sprüche auf Pappen (Z.B.: Haschisch ist schlimmer als Alkohol!) im Raum verteilen - Eltern sollen sich einem Spruch zuordnen und mit den anderen sich dort eingefundenen Eltern begründen, warum sie gerade hier stehen - Vergleich der Positionen im Plenum. Probleme: Unterschiedliche Erwartungen der Eltern: Information - Auseinandersetzung, Unerfahrenheit in Interaktionsübungen

8) Abschlußgespräch in Bezug auf Möglichkeiten und Grenzen der Umsetzbarkeit in Ausbildung für LehramtsanwärterInnen; Problem: geringe Relevanz der Seminarausbildung in Bezug auf Probleme in der Schule; Ausbildung legt Schwerpunkt auf fachlich-didaktische Dimension und nicht auf sozialpädagogische; Empfehlung für Weiterarbeit: Zusammenarbeit mit örtlichen Beratungsstellen. Vermittlung der Doppelqualifikation: Fachliche Kompetenz und Sozialpädagogische Kompetenz (Gruppenprozesse wahrnehmen und gestalten; Beratungsfähigkeit: Eltern, Schüler entwickeln), Methoden: Interaktionsübungen - Supervision stärken.



Die Gruppe nach getaner Arbeit.