Detlef Hammel

Interkultureller Feiertagskalender
Sommer 1994 bis Frühjahr 1996

erschienen in der
Festschrift zum 30jährigen Bestehen
der Gustav-Heinemann-Schule

"Frau Feldmann, Herr Hammel hat mir den Himmel herausgerissen!" "Mensch, der soll sich doch aus der Kunst heraushalten!"

Angefangen hatte alles irgendwann im Sommer ’94. Im Kunstunterricht der Klasse 8.6 von Ilona Feldmann war im Rahmen der Prowo das Thema: Internationale Feiertage gewählt worden und alle waren emsig dabei, Materialien für eine Präsentation zusammenzutragen. Schon bald stellte sich jedoch heraus, dass die erforderlichen Kenntnisse – besonders in Bezug auf die religiösen Feste – weit über den Kunstunterricht hinausgingen, so dass die Klasse übereinkam, einen Religionslehrer (Detlef Hammel) am Projekt zu beteiligen.

Ein neues Kapitel wurde aufgeschlagen, als wir beschlossen, unsere Bemühungen nicht mit der Prowo enden zu lassen. Die vorgenommenen Recherchen und die künstlerischen Ideen zu dem Plan, verschiedene Kulturen einander näher zu bringen, hatten uns schon recht viel Zeit und Mühe gekostet. Wir entschlossen uns deswegen zu einem ungewöhnlichen Projekt. Einen Kalender wollten wir bauen, nach dem Prinzip eines Adventskalenders. Ein Kalender, der hinter jedem Türchen die Darstellung eines religiösen oder weltlichen Festtages verbergen sollte. Am jeweiligen Festtag sollte dann das Türchen geöffnet werden - die Information zum Feiertag wäre jetzt sichtbar - und die Türe könnte bis zum Ende des Kalenderjahres geöffnet bleiben. Am Ende des Jahres hätten wir schließlich den Kalender vollständig geöffnet.

Da uns das Treppenhaus zur Info schon seit langem kahl und langweilig erschien, sollte unser Festtagskalender in diesem Treppenhaus installiert werden.

Bis hierher hört sich das ja noch alles ganz lustig an. Man hat eine Idee, überlegt sich die Praktikabilität, den finanziellen und zeitlichen Aufwand und setzt diesen Plan dann um. In unserem Fall bedeutete das aber, dass wir sehr schnell merkten, dass wir in mehrfacher Hinsicht etwas optimistisch gewesen waren. Wenn unser Kalender etwas werden sollte, dann würde das nur in Doppelbesetzung der Lehrer, nur mit im Stundenplan fest verankerten Projektstunden, nur mit kräftiger finanzieller Unterstützung und nur mit professioneller handwerklicher Hilfe gelingen. Den zeitlichen Rahmen konnten wir zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht einschätzen.

Gesagt, getan: die Schulleitung und die Stadt Mülheim gaben grünes Licht und wir begannen Kontakte zur Berufsbildungswerkstatt zu knüpfen. Unser Vorhaben hatte sich inzwischen nämlich weiterentwickelt: Wir wollten die Türchen für die Festtage jetzt als Häuserfenster gestalten. Die Häuser sollten aus allen Erdteilen stammen und verschiedene Kulturen repräsentieren. So kamen unter anderem Wolkenkratzer, Iglu, Pfahlhaus, Windmühle, Moschee, Kathedrale und Förderturm auf engem Raum zusammen. Außerdem wollten wir alle Länder, zu denen wir Schulpartnerschaften unterhielten und die Weltreligionen jeweils mit einem Festtag verewigen.

Probleme ergaben sich dabei in mehrfacher Hinsicht. Zum einen sollte der Kalender plastisch wirken, so dass wir uns für eine dreidimensionale Version entschieden. Zum anderen wollten wir die volle Höhe des Treppenhauses nutzen und Gebäude mit Fenstern in unterschiedlicher Größe aufbauen. Eine wichtige Hilfe dabei waren die Vorschläge der Berufsbildungswerkstatt. Die handwerkliche Umsetzung, zum Beispiel die Aussäge- und Lackierarbeiten, wurde nämlich von fachkundigen Profis übernommen.

Im Vorfeld fertigten wir im Silentium Zeichnungen aller Gebäude im Maßstab 1:1 an. Die Zeichnungen wurden ausgeschnitten und solange hin und her geschoben, bis ein harmonisches Gesamtbild entstand. Anschließend überlegten wir die Farbgebung und reichten die Pläne zur Berufsbildungswerkstatt weiter. Dort entstanden nach unseren Angaben die Holzfassaden mit den Fenstern.

Im nächsten Schritt wurde die Gestaltung der Fenster geplant. Zuerst gab es Zeichnungen, später sollten plastische Objekte entstehen. Die Berufsbildungswerkstatt hatte inzwischen für jedes Fenster ein Kästchen angefertigt. Die Kästchen wurden nun in Kleingruppenarbeit von den Schülerinnen und Schülern entsprechend den Festtagen mit Materialen aller Art geschmückt. Die Gruppen hatten bei der Gestaltung völlig freie Hand. Beinahe jedenfalls: siehe oben. Unsere kritischen Einmischungen brachten manche Schüler an den Rand der Verzweiflung. Aber das beruhte auf Gegenseitigkeit, glaube ich. Wie dem auch sei. Es entstanden neben informativen und besinnlichen auch freche und künstlerisch originelle Kästchen. Alles in allem hätte an dieser Stelle der Kalender montiert und unser Projekt einen würdigen Abschluss finden können, aber leider war das weit gefehlt!

Was nützen die hübschen bunten Kästchen in diesen blaugrauen Holzfassaden, wenn niemand weiß, was sie zu bedeuten haben? Also wurde zu jedem Festtag ein Text geschrieben und die Berufsbildungswerkstatt fertigte Holztafeln an, die in Blau- und Grüntönen lackiert wurden. In mühevoller Kleinarbeit wurden nun mittels Overheadprojektoren und Folien die Texte erst mit Bleistift, dann mit Edding auf die Holztafeln geschrieben. Die Tafeln wurden dann lackiert und wir hängten sie schließlich als letzten Akt im Frühjahr 1996 mit der geduldigen Hilfe von Andreas Pollmann im Treppenhaus auf.

Ursprünglich wollten wir die Türchen im Verlauf eines Jahres sukzessive öffnen, bis dann im Dezember alle Kästchen zu sehen gewesen wären. Nach dem ersten Jahr hat es sich aber gezeigt, dass der interkulturelle Feiertagskalender auch ohne wechselndes Aussehen ein Blickfang geworden ist, der zum Betrachten und gelegentlich auch zum Schmökern einlädt – ein Projekt, das sich gelohnt hat.

Detlef Hammel, 02.01.2001