Detlef Hammel

3. Das Erleben des Todes bei sterbenden Kindern und ihren Begleitpersonen

Das Erleben des eigenen Sterbens betrifft nicht nur das Kind selbst, sondern auch seine Familie und das begleitende medizinische Pflegeteam.

Der plötzliche Tod, zum Beispiel bei einem Unfall oder einem Mord, macht sprachlos und zwingt die Familie zur allmählichen, nachträglichen Bewältigung des Unbegreiflichen. Dadurch, dass ein behutsames Abschiednehmen nicht möglich ist und familiäre Konflikte nicht geklärt werden können, wird der Tod des Kindes zum Teil erst nach Jahren bewältigt. Nicht selten bleibt er den Angehörigen zeitlebens unfassbar (vgl. SCHIFF 1986, 41 ff.).

Wenn das Kind im Krankenhaus oder auf dem Weg dorthin verstirbt, ist die Situation für das medizinische Pflegeteam zwar belastend, aber durch die emotionale Distanz zum Verstorbenen sind die negativen Gefühle, die bei der Versorgung des Toten bzw. Sterbenden entstehen, in der Regel zu verkraften.

Ganz anders wird der Tod, sowohl von den Betreuenden als auch vom Kind selbst, erlebt, wenn ein Kind nach längerer Krankheit zu Hause oder im Krankenhaus stirbt. Die Belastbarkeit der Familie und die Atmosphäre auf der Station entscheiden darüber, ob das Kind über seinen Zustand informiert ist und ob Ängste thematisiert werden oder ob die Kommunikation blockiert ist. Das Erleben des eigenen Todes ist davon abhängig, wie die anderen diesen Tod erleben. Im folgenden werden deshalb neben den Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten mit sterbenden Kindern auch die Einflüsse des psychosozialen Umfeldes im Krankenhaus diskutiert (zur Bedeutung der Familie vgl. Kap. 2.3.2.6).

3.1 Die Situation im Krankenhaus

3.1.1 Die Station

Kinder, die stationär in ein Krankenhaus aufgenommen werden, sehen sich einer Vielzahl ungewohnter - und zum Teil angstmachender - Eindrücke ausgesetzt. Sie treffen auf unbekannte Menschen und Räumlichkeiten und müssen sich mehrfach schmerzhaften Eingriffen unterziehen, die sie gar nicht oder nur begrenzt verstehen.

Die Erfahrungen, die sterbenskranke Kinder mit der Krankenhauswelt machen, differieren zum Teil erheblich. Es ist zum Beispiel ein Unterschied, ob das Krankenhaus am Wohnort liegt und die Eltern jeden Tag zu Besuch kommen können oder ob die Krankheit nur in einer Spezialklinik behandelt werden kann, die sich weit entfernt vom Heimatort befindet. Häufige Besuche von Eltern, Freunden und Bekannten wirken sich erfahrungsgemäß positiv auf das psychische Befinden aus und die Station sollte darauf, zum Beispiel durch flexible Besuchszeiten, Rücksicht nehmen. "Eine zeitlich eingeschränkte Besuchszeit verhindert die sehr wichtige Einbeziehung der familiären Bezugspersonen in die Behandlung des kranken Kindes" (DEUTSCHES KINDERHILFSWERK 1984, 81).

Um seelischen Schäden, die bei Kindern mit längerem Krankenhausaufenthalt entstehen können (vgl. BIERMANN 1980, 36), vorzubeugen, hat es sich bewährt, ein Elternteil mit auf die Station aufzunehmen (rooming-in). Dies gilt in besonderem Maße für schwerkranke Kinder. Das Vorhandensein von ausgebauten Mutter-Kind-Ein-heiten (ein separates Bett für die Mutter oder den Vater steht im Zimmer des Kindes) ist dabei keine zwingende Voraussetzung. Eine provisorische Liege neben dem Bett des Kindes erfüllt ihren Zweck voll und ganz (vgl. DEUTSCHES KINDERHILFSWERK 1984, 82). Bei schmerzhaften oder komplizierten therapeutischen Eingriffen oder anderen angstmachenden Situationen ist dann ein Familienmitglied zur Stelle und kann dem Kind beistehen.

Die Anwesenheit von Eltern der verschiedenen Kinder auf der Station hat zudem eine ausgleichende Funktion, denn die gegenseitige Hilfe der Erwachsenen macht das Leid der einzelnen Familie erträglicher und kommt letztlich der Betreuung der Kinder zugute. "Eltern lehren einander, stützen einander in Zeiten der Not, teilen ihre Erfahrungen miteinander oder helfen einfach als Babysitter" (ELLIOTT 3. Auflage 1982, 126). Der Kontakt zu Elternselbsthilfegruppen, die in der BRD den meisten hämatologisch-onkologischen Kinderstationen angeschlossen sind (vgl. WÖLFING 1985, 124 ff.), wird als notwendige Trauerhilfe akzeptiert, denn die Eltern eines sterbenden Kindes können mit Menschen sprechen, die die gleiche furchtbare Erfahrung miterlebt haben. "Unsere Gefühle können nur von anderen leidtragenden Eltern nachempfunden und wirklich verstanden werden" (SCHIFF 1986, 11; Vgl. ebd. 11 f.; HAAS 1981, 136 f.).

Wenn ein Kind stirbt, ist die Beziehung der Eltern des Kindes einer besonderen Belastung ausgesetzt. Unbewusst machen sich die Partner zum Beispiel wegen der unterschiedlichen Trauerbewältigung Vorwürfe: ein Partner kann vielleicht seine Gefühle besser zeigen als der andere oder ein Elternteil wird für das Sterben des Kindes verantwortlich gemacht, so dass die Beziehung gefährdet ist oder gar zerbricht. "Mütter erleben den Verlust ihres Kindes anders als die Väter. Sie klagen oft über das Unverständnis des Mannes und der ganzen Familie, wenn diese erwarten, dass sie für sie selbst viel zu früh in ein normales Leben zurückfinden sollen" (FUCHS 1984, 149; Vgl. SCHIFF 1986, 71 ff.).

Die Räumlichkeiten der Station sollten so angelegt sein, dass sie eine wohnliche Atmosphäre vermitteln und nicht ängstigen. Dazu gehören zum Beispiel eine lustige Wand- und Deckenbemalung und eine begrenzte Anzahl an Betten pro Zimmer. Für Kinder, die älter als drei Jahre sind, haben sich Vier- bis Sechs-Bett-Zimmer als sinnvoll erwiesen. "Die körperliche Nähe zu den Mitpatienten in größeren Räumen beruhigt, lenkt von dem eigenen Leid ab und hilft, Kontakte aufzunehmen..." (DEUTSCHES KINDERHILFSWERK 1984, 187). Für sterbende Kinder und deren Angehörige sollten Einzelzimmer (Mutter-Kind-Einheiten) zur Verfügung stehen, um deren Bedürfnis nach Ruhe nachzukommen. Die Ausgestaltung der Räume sollte so individuell wie möglich erfolgen (vgl. HERBERGER 1984, 38), denn jeder Gegenstand, der an das Zuhause erinnert, ist im Krankenhaus eine Hilfe.

Den Kernbereich der Kinderstation kann eine Halle oder ein Flur bilden, der den Kindern als Kommunikationsraum genügend Platz zum Spielen bietet und häufigere Kontakte ermöglicht als ein separates Spielzimmer oder gegenseitige Besuche. Den Eltern muss ein separater Raum als Erholungsstätte angeboten werden, der von den Kindern nicht betreten werden sollte (vgl. DEUTSCHES KINDERHILFSWERK 1984, 191).

3.1.2 Das Pflegeteam

An das Pflegeteam von Stationen, auf denen häufig Kinder sterben, zum Beispiel von kinderhämatologischen oder -onkologischen Stationen werden besondere Anforderungen gestellt. "Gewiss hat das Sterben für den Begleitenden im Letzten oft etwas Tröstliches. Doch gibt es Todesfälle, die so furchtbar sind, dass sie sich dem Pflegenden als eine bleibende Verletzung einprägen" (PFEIFFER 2. Auflage 1985, 109). Sowohl Ärzte als auch Schwestern dürfen sich nicht zurückziehen, sondern sie müssen eine emotional offene Haltung einnehmen, damit die Wünsche des sterbenden Kindes und seiner Familie wahrgenommen werden können. Damit ist eine erhöhte emotionale Labilität der Betreuenden verbunden, da sie sich immer wieder neu auf das Sterben einlassen müssen. Der Umgang mit sterbenden Kindern, der "... ein hohes Ausmaß an Angst vor dem Tod aktiviert..." (STEINHAUSEN 1976, 493), führt zu unterschiedlichen Verhaltensweisen.

Auf der einen Seite stehen Verleugnungsmechanismen, "... die die Realität des Todes angesichts einer perfektionierten medizinischen Behandlung nicht wahrhaben wollen..." (ebd.). Viele Ärzte und Schwestern meiden zum Beispiel aus Unsicherheit und Hilflosigkeit die Zimmer sterbender Kinder und verstärken dadurch deren Isolation. "Eine Vernachlässigung des Patienten ergibt sich am augenfälligsten aus dem Vermeiden der Situation, wie es etwa Ärzte erkennen lassen, wenn sie bei der Visite das Zimmer des Sterbenden übergehen" (PFEIFFER 2. Auflage 1985, 109). Andere versuchen, durch eine Überaktivität beim Verrichten der therapeutischen bzw. pflegerischen Maßnahmen der Auseinandersetzung mit dem Sterben zu entgehen (vgl. ebd. 110).

Auf der anderen Seite stehen Mechanismen, die zu einer Überidentifikation mit den sterbenden Kindern führen, bei denen also die Gefahr droht, "... den Status eines anteilnehmenden Beobachters (und die damit verbundene Distanz, D.H.) zu verlieren" (STEINHAUSEN 1976, 493). Aus dieser Haltung folgt zum Beispiel die hohe Personalfluktuation, die ihrerseits eine ausgeglichene Teamarbeit erschwert. Ein mangelndes Gruppenbewusstsein behindert die Lösung von Konflikten im Umgang mit sterbenden Kindern und verstärkt das Ohnmachtgefühl der einzelnen: "... in der Phase des unaufhaltsamen Sterbens können schließlich innerhalb des behandelnden Teams starke Spannungen auftreten, da sich Einzelne gegenseitig für das Versagen der Behandlung versteckt oder offen zu beschuldigen beginnen" (ebd.). Der konfliktträchtige Umgang untereinander behindert nicht nur die pflegerische Rücksichtnahme auf die individuelle Situation eines sterbenden Kindes, sondern auch das Abschiednehmen des Kindes von seiner Familie. Aus diesem Grund sollte auf onkologisch-hämatologischen Kinderstationen nicht nur eine medizinisch-psychologische Konsiliarbetreuung erfolgen, sondern Kinderpsychotherapeut(inn)en, Pädagog(inn)en oder Sozialarbeiter(innen) müssen fest ins Pflegeteam eingebunden sein. Dadurch können die Pflegenden bestimmte Formen der Situationsbewältigung einüben und offen die Gefühlslage im Team ansprechen. Die Orientierung der Sterbebegleitung an thanato-psychologischen Erkenntnissen trägt zudem zur verstärkten Teilnahme der Familie an der Betreuung ihres Kindes bei und entlastet die Pflegenden. Regelmäßige Gruppensitzungen führen dazu, dass die einzelnen Mitglieder des Pflegeteams ihre eigenen Reaktionen und die der anderen besser einschätzen lernen, so dass die Arbeit erträglicher wird. Die Bearbeitung der eigenen Schwierigkeiten macht die Pflegenden frei für die Sorgen der sterbenden Kinder und ihrer Familien und ermöglicht eine hilfreiche Betreuung. Eine in diesem Sinne effektive Begleitung zeichnet sich durch personale Verfügbarkeit, Aufrichtigkeit und Einfühlsamkeit aus.

Die personale Verfügbarkeit betrifft das persönliche Engagement der Pflegenden ebenso wie die Personalplanung des Krankenhauses und die äußeren Arbeitsbedingungen. Die Voraussetzungen für die personale Verfügbarkeit liegen in einer ausreichenden "... Verfügbarkeit über Zeit und in der Fähigkeit und im Mut, sich in die psychische Lage des Patienten einzufühlen" (SCHMITT 1983, 36). Die Pflege sterbender Kinder geht über die Verrichtung der medizinisch-technischen und medikamentösen Therapie und der Grundpflege der Kranken hinaus. Die Pflegenden müssen ihre Bereitschaft signalisieren, sich auf tiefergehende Gespräche einzulassen oder bei Bedarf einfach nur "da" zu sein. "Die personale Verfügbarkeit in den vielfältigen Formen des Bei-dem-Patienten-Sein - im Gespräch, im Spiel oder im gemeinsamen Schweigen - ist eine wirksame Waffe, die uns zur Verfügung steht, das Alleinsein des kranken Kindes zu mildern" (ebd. 37).

Die Aufrichtigkeit in der Begegnung mit sterbenden Kindern und ihren Familien ist eine unverzichtbare Voraussetzung für einen vertrauensvollen Umgang miteinander. Ein Kind , das die Aufrichtigkeit der Betreuenden spürt, wird "... eher den Mut finden, Gefühle der Enttäuschung, der Wut und Hilflosigkeit zu zeigen, ohne befürchten zu müssen, seine gute Beziehung aufs Spiel zu setzen" (ebd.). Die Aufrichtigkeit und Offenheit der Beziehung zeigt sich auch in der ehrlichen Beurteilung des Gesundheitszustandes. Wenn eine infauste Prognose zurückgehalten oder verniedlicht wird, kann das Vertrauensverhältnis zwischen den Pflegenden und dem Kind bzw. seiner Familie zerstört werden, was sich negativ auf den innerfamiliären Trauerprozess auswirkt und dem Kind somit schadet.

Das Einfühlungsvermögen in die Situation der sterbenskranken Patienten "... vermag dem kranken Kind Sicherheit und ein Gefühl der Selbstachtung wiederzugeben" (ebd. 39). Indem die Autonomie des Kindes respektiert wird, folgen die Pflegenden seinen Wünschen und passen es nicht umgekehrt an die Pflegeangebote der Station an. Dadurch wird eine Individualisierung der Therapie möglich, die für das Akzeptieren des Sterbens eine wichtige Voraussetzung bildet. Die Einfühlsamkeit ist die Grundlage für eine sensible Kommunikation und Interaktion mit sterbenden Kindern. Das Verstehen der Angst, "... die sich uns nicht nur verbal ausdrückt, sondern sich auch indirekt im mimischen Ausdruck, im Spiel, in kindlichen Zeichnungen und metophorischen Äußerungen mitteilt" (ebd. 40), ist ein Schlüssel für das Verständnis des Todeserlebens sterbender Kinder und ermöglicht sowohl für das betroffene Kind als auch für seine Familie eine sinnvolle medizinisch-pädagogische Begleitung.

3.2 Das eigene Sterben

3.2.1 Die Diagnose

Ein offener Umgang mit dem Sterben des Kindes beginnt damit, ihm die Diagnose nicht vorzuenthalten. "Es genügt nicht, dass die Eltern die Diagnose kennen, sie müssen sie mit dem Kind besprechen" (LEIST 1982, 113; Vgl. SCHMITT 1983, 17). Die Diagnose einer tödlich verlaufenden Krankheit ist sowohl für die Eltern als auch für das betroffene Kind ein großer Schock und es hat sich als hilfreich erwiesen, zunächst die Eltern aufzuklären und ihnen Zeit zu lassen, sich mit dem Gedanken des Todes auseinanderzusetzen. Die Ärztin oder der Arzt müssen sich einer einfühlsamen Sprache bedienen und den Eltern Zeit für ein Gespräch bieten, denn "die Mitteilung der Diagnose durch den Arzt empfinden alle (Eltern, D.H.) übereinstimmend als 'Schock'!" (ITZWERTH 1985, 377). Eine kurze Information, zum Beispiel auf dem Flur, nach der die Ärztin oder der Arzt davongeht, verstärkt den Schock und die Hilflosigkeit und zerstört das Vertrauensverhältnis zwischen dem Arzt und den Eltern. Das Gespräch sollte vielmehr in aller Ruhe in einem separaten Zimmer stattfinden, das vor Störungen schützt und in dem die Eltern ihren Gefühlen freien Lauf lassen können (vgl. LUDWIG-KLEIN 1980, 24). Wenn die Eltern informiert sind und sich ein wenig gefasst haben, sollte dem Kind im Beisein der Eltern sein Zustand erklärt werden. Dabei muss darauf geachtet werden, dass die Erläuterungen in einer kindgemäßen Form erfolgen, und dass keine komplizierten medizinischen Sachverhalte wiedergegeben werden (vgl. BÜRGIN 1978, 110).

Für das weitere Leben des Kindes, und mag es auch noch so kurz sein, ist es wichtig, dass Zukunftsperspektiven offen gelassen werden. Die Eröffnung der Diagnose "... soll so geschehen, dass das Kind die Realität erfährt, zugleich aber sich nicht völlig ohne jede Hoffnung sieht, was seine eigene Zukunft betrifft" (LEIST 3. Auflage 1982, 87; Vgl. BÜRGIN 1978, 110).

Das Wort Hoffnung muss dabei nicht ausschließlich die völlige Wiedergenesung bedeuten (vgl. KÜBLER-ROSS 3. Auflage 1982, 36), sondern schließt die Hoffnung auf einen schmerzfreien Krankheitsverlauf ebenso ein wie die Hoffnung auf ein friedliches Sterben im Arm der Eltern. Grundsätzlich orientiert sich die Art der Aufklärung, und darin liegt ein Aspekt der pädagogischen Dimension des Todes, an den Bedürfnissen des Kindes, die von den Pflegenden und von den Eltern akzeptiert werden müssen. "Das Kind bestimmt außerdem den Zeitpunkt und den Grad der Offenheit jedes Gespräches, indem es mit direkten Fragen oder indirekten Äußerungen zu verstehen gibt, dass es Hilfe und Orientierung in seiner bewussten Bewältigung der Erkrankung benötigt" (SCHMITT 1983, 41).

An dieser Stelle wird deutlich, dass sich die Ausführungen nicht allein auf sterbende, sondern auch auf sterbenskranke und genesende Kinder beziehen und insofern den thematischen Blickwinkel der Arbeit erweitern.

3.2.2 Der Krankheitsverlauf

Das Erleben der Krankheit bzw. des Sterbens ist von der Art der Erkrankung des Kindes abhängig. Handelt es sich um eine Krankheit, bei der sich der Gesundheitszustand kontinuierlich bis zum Tode verschlechtert (z.B. Nierenerkrankungen, Infektionen, progressive Muskeldystrophie), kann das Kind mit Hilfe der Eltern und der Pflegenden sein Leben ordnen und sich langsam mit dem Unabwendbaren auseinandersetzen.

Schwieriger wird die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod dann, wenn die Krankheit phasenweise verläuft (z.B. haematologische und onkologische Erkrankungen). Wenn sich Pasen der Erkrankung und der Genesung, des Leidens und der Hoffnung abwechseln, wird die Zukunft unsicher und uneinschätzbar. Die Gewißheit des eigenen Todes ist unter Umständen leichter zu ertragen, als eine völlige Ungewißheit. "Ein Mensch, der in der Ungewißheit lebt, zweifelt, grübelt und Fragen stellt, auf die er keine befriedigende Antwort erhält; ein Mensch in diesem Zustand ist angespannt und unfrei. Die Wahrheit - wie immer sie auch lauten mag für ihn - befreit ihn zumindest von der ständigen Anspannung durch die Ungewißheit" (HERBERGER 1984, 42).

Der Beginn der Krankheit, die Initialphase, ist durch die "... Mobilisierung aller psychischen Reserven und die regressive Idealisierung des Behandlungsteams ..." (BÜRGIN 1985, 156) gekennzeichnet. In dieser Zeit, in der die Diagnose gestellt wird und die Behandlung beginnt, versuchen sich die Kinder optimal an die Anforderungen der Pflegenden und der Therapie anzupassen. Ihre Ängste vor schmerzhaften Eingriffen,vor der Trennung von den Eltern und vor ihrem Tod können gemeistert werden, denn die Wirksamkeit der Behandlung wird im allgemeinen am eigenen Körper wahrgenommen. Das subjektive Empfinden der Besserung wird zum Beispiel "... durch Zunahme des Appetits und des Gewichts, durch Reduktion des somatischen Krankheitsgefühles, durch Blutungsstop oder durch verringerte Besorgnis der Umgebung..." (BÜRGIN 1978, 113) gestützt.

Der Rückgang der Krankheitssymptome und die Besserung des Allgemeinzustandes werden als die Phase der Remission bezeichnet. "In der Remission wird eine deutliche psychische Entspannung fühlbar" (ebd.), denn die gewählte "Taktik" der Anpassung hat sich als erfolgreich erwiesen. Wenn die Remission ausbleibt, reagieren die Kinder meist mit Wut, Resignation oder depressivem Rückzug und das Vertrauensverhältnis zwischen dem Kind und den Pflegenden muss gezielt wieder aufgebaut werden.

Häufig wird der Status vor der Krankheit nur sehr langsam oder gar nicht erreicht (Teilremission). Die gesundheitliche Verfassung hat sich dann zwar verbessert, aber eine Vielzahl von Anzeichen erinnern das Kind an die Bedrohlichkeit seines Zustands. Obwohl es zum Beispiel wieder in die Schule gehen kann, "... bekommt es auch dort seine Andersartigkeit zu spüren, z.B. durch zeitweilige Befreiung vom Turnen ..." (ebd.) oder durch die Taktlosigkeit seiner Mitschüler(innen) oder Lehrer(innen). Innerhalb der Familie hat sich das Verhältnis zu dem kranken Kind ebenfalls verändert. "Verwöhnung , ängstliche Überbehütung oder betont forsche Unbekümmertheit erschweren die Adaptation aller an die neue Situation" (ebd.). Inwieweit das Kind seine Situation akzeptieren kann, hängt davon ab, ob Geschwister, Mitschüler(innen), Lehrer(innen), Nachbarn und andere Personen, mit denen das Kind häufig Kontakt hat, über die Krankheit informiert wurden und wie sie mit diesen Informationen umgehenkönnen. Oftmals werden das Thema Krankheit und alle Erinnerungen, die an den Krankenhausaufenthalt mahnen, ebenso wie Gespräche über eine mögliche Neuerkrankung oder ein mögliches Sterben vermieden. Der eigenen Gesundheit wird noch nicht so sehr vertraut, als dass sich die Kinder kritisch damit auseinandersetzen könnten. "Solange keine brutale Durchbrechung dieser Abwehr durch aufgenötigte Informationen von aussen erfolgt, wird das Funktionieren der Abwehrorganisation erleichtert" (ebd. 114).

Selbst bei vollständiger Genesung (Vollremission) bleiben die Ängste vor einem Rückfall bestehen. Die endgültige Bewältigung der Krankheit wird oftmals erst nach Jahren erreicht und ist durch einen offenen Umgang mit der belastenden Vergangenheit gekennzeichnet.

Bei Krankheiten, die durch den Wechsel von gesundheitlicher Besserung und Verschlechterung gekennzeichnet sind, bringen die Rückfälle (Rezidive) die Kinder und deren Familien in eine depressive Verfassung (vgl. LUDWIG-KLEIN 1980, 104). "Das Rezidiv erschüttert das Gefühl persönlicher Sicherheit ungleich viel grundlegender als der Krankheitsausbruch, obgleich vereinfacht gesagt, dem Kind alles schon bekannt ist" (BÜRGIN 3. Auflage 1985, 157). Die Verzweiflung und Enttäuschung darüber, dass die überwunden geglaubte Krankheit nicht zu besiegen ist, schwächt das Selbstbewußtsein des Kindes und seine psychischen Kräfte im Ringen mit der Krankheit. "Immer deutlicher scheinen Hilf- und Hoffnungslosigkeit hinter den verzweifelten Kämpfen hervor" (ebd.). Die vertrauliche Beziehung zu den Pflegenden, den Eltern und sogar zu den Geschwistern kann massiv gestört werden, so dass die Kinder letztlich niemandem mehr vertrauen und verzweifeln.

In der Phase eines Rezidivs zeigt sich, wie stark die Familie der seelischen Belastung gewachsen ist und in wieweit die Eltern bereit sind, ihr Kind freizugeben. Ein Kind, das weiss, dass der Tod den Abschluss eines jeden Lebens bildet, und das spürt, dass die Eltern bei seinem Tod zwar sehr traurig sind, aber auch ohne es weiterleben können, sieht seinem möglichen Sterben anders entgegen als ein Kind, dessen Eltern es als persönlichen Besitz betrachten und nicht gehen lassen wollen.

Die Freigabe des Kindes, das Akzeptieren seiner Resignation, ist nicht im Voraus zu berechnen, denn ein Rezidiv ist mit einer großen medizinischen Unsicherheit verbunden. Es kann nicht immer mit Bestimmtheit vorhergesagt werden, ob auf das Rezidiv eine Remission folgt oder nicht. Nicht wenige Kinder, die mehrere Rezidive erleben mussten, wurden völlig gesund, während andere ihr erstes Rezidiv nicht überlebten. Insofern ist die Ermunterung zur Auflehnung gegen die Krankheit, die Eröffnung von Hoffnungs- und Zukunftsperspektiven, ein zentrales Anliegen jeder pädagogisch-psychologischen Begleitung. Andererseits gilt es, für die Anzeichen der Erschöpfung und Hoffnungslosigkeit des Kindes sensibel zu bleiben und es nicht mit Therapiemaßnahmen zu quälen, die sein Leiden unnütz verlängern und an die es nicht mehr glaubt.

In der Terminalphase sind die psychischen Abwehrmöglichkeiten sterbender Kinder weitgehend wirkungslos. Die Pflegenden und die Familie müssen sich verstärkt mit dem Kind beschäftigen, denn viele sterbende Kinder wenden sich von intensiven zwischenmenschlichen Beziehungen ab und flüchten in regressive Verhaltensweisen. "Das Kind zieht sich, um der drohenden Verlassenheit zuvorzukommen, in der Form einer Selbstisolation in kaum erträglicher Weise emotional von der Umwelt zurück und erhält den Kontakt nur noch aufrecht während heftigster Angstzustände oder zur Befriedigung von Minimalbedürfnissen" (BÜRGIN 1978, 115). Die wichtigsten Hilfen für ein sterbendes Kind in der Terminalphase sind deshalb, das Kind nicht alleine zu lassen, es keine Schmerzen spüren zu lassen und ihm das Gefühl der Geborgenheit und des Geliebtseins zu geben.

Über sein bevorstehendes Sterben sollte mit dem Kind gesprochen werdenlund seine Ängste müssen auch wenn sie den Begleitenden noch so unverständlich erscheinen sollten ernstgenommen werden. In dieser Phase zeigt sich, mit wieviel pädagogischem Taktgefühl (vgl. MUTH 3. Auflage 1982) die Begleitenden auf die verschlüsselten und zum Teil nonverbalen Aufforderungen eines Kindes zum Gespräch reagieren und wie konsequent sie seine Wünsche respektieren.

Die letzte Phase im Sterben eines Kindes kann zu einer Begegnung werden, die dem Kind den Abschied erleichtert. Die Familie muss die Chance nutzen, dem Kind die letzten Wochen und Tage seines Lebens, wenn möglich zu Hause, zu verschönern. Auch deshalb, damit sie sich nicht nur mit Schrecken an den Abschied erinnert. "Neben aller Trauer nach so viel Leid und Trostlosigkeit ist der Tod für die Eltern und Geschwister zugleich auch die Erfahrung von Erlösung und Frieden" (LEIST 3. Auflage 1982, 140; Vgl. KÜBLER-ROSS 1984, 216 ff.).

Die Voraussetzungen für einen angstfreien Abschied liegen in einer offenen Kommunikation und einer rücksichtsvollen Interaktion zwischen dem sterbenden Kind, seiner Familie und dem begleitenden medizinischen Pflegeteam.

3 3 Kommunikation und Interaktion mit sterbenden Kindern

3.3.1 Nonverbale Kommunikation

3.3.1.1 Schweigen

Im Vordergrund beim Sterben von Kindern steht deren Angst, allein gelassen zu werden. Diese Angst wird von denjenigen Eltern unterstützt, die ihr Kind innerlich nicht losgelassen haben, sondern sich festklammern und es nicht gehenlassen wollen. Ein Kind, das spürt, dass die Eltern ohne es nicht weiterleben können, wird in seinem Sterben behindert. [Ein Beispiel dafür beschreibt die Krankenhauslehrerin Gisela HAAS. Ein 14 Jahre alter Junge, der an Krebs erkrankt war und über seinen Zustand nicht aufgeklärt wurde, konnte nicht über seine Ängste sprechen und nicht sterben. "Wir hatten das Gefühl, er sehnte sich danach, dass sein Leben ein Ende hatte; aber er konnte noch nicht sterben, weil er glaubte, er könne seine Mutter noch nicht verlassen... Ganz am Ende konnten beide einwilligen, Mutter und Sohn. Er starb in ihren Armen" (HAAS 1981, 136); Vgl. HERMANN 1983, 75.] Ein Hinweis darauf ist die Unfähigkeit vieler Eltern, mit ihrem kranken Kind über seinen bevorstehenden Tod zu sprechen. "Mein Herz war mir so schwer, und ich war vollkommen leer und konnte die Tränen nicht zurückhalten. John fragte immer wieder: 'Was hast du?', aber ich brachte es nicht über mich, es ihm zu sagen" (KÜBLER-ROSS 1984, 204).

Viele Kinder spüren die Bedrohlichkeit ihres Zustands und stellen den Eltern aus Rücksicht keine Fragen (vgl. LEIST 2. Auflage 1984, 152 f.). "Die meisten Kinder registrieren mit enormer Feinfühligkeit, dass ihre Eltern mit der Erhaltung eines Gleichgewichts ihrer eigenen Gefühle sehr beschäftigt sind und durch entsprechende Fragen belastet werden könnten" (BÜRGIN 3. Auflage 1985, 154).

Die Ursachen, die Kinder davon abhalten, in eine offene Kommunikation über ihre Ängste zu treten, liegen auf verschiedenen Ebenen. Neben der Rücksicht auf die Familie spielen das Unvermögen, die eigenen Befürchtungen sprachlich zu formulieren, und die Angst vor der Abkehr des Pflegepersonals eine Rolle. Letztlich ist das Schweigen sterbender Kinder eine Reaktion auf die "... Angst vor dem Verlust des menschlichen Kontaktes..." (WOLFF 1978a, 291; vgl. RAIMBAULT 2. Auflage 1981, 11 f.; PUYN 1984, 50).

3.3.1.2 Signalverhalten

Obwohl viele krebskranke Kinder über ihre Ängste schweigen, teilen sie diese dennoch unbewusst über nonverbale Signale mit. Kinder, die Krisensituationen nicht bewältigen können, signalisieren ihre innere Spannung zum Beispiel durch Verhaltensauffälligkeiten. "Die Existenz von Signalverhalten stellt für Kinder wie für Erwachsene eine Chance und Möglichkeit dar, emotionale Konfliktlösungen zu üben, sich mit eigenen Stereotypien bzw. deren Begrenzungen lernend auseinanderzusetzen und neue Sicht- und Erlebnisweisen zu erproben" (WOLFF 1978b, 154). Insofern stellen Verhaltensauffälligkeiten Hilferufe dar, denn sie fordern die betreuenden Erwachsenen zur Zuwendung auf. Wichtige Handlungen mit Signalcharakter sind zum Beispiel das Bettnässen und das aggressive Verhalten.

Das Bettnässen ist aus der Sicht des Kindes ein relativ harmloser Akt, der zwar mit einem gewissen Risiko, nämlich der Schelte der Pflegepersonen, behaftet ist, der aber keine Sachbeschädigung oder Verletzung darstellt. "Deshalb ist es sowohl situations- als auch altersentsprechend, wenn der Konflikt, in einer psychischen Überbelastung zu stehen, durch das Symptom Bettnässen signalisiert wird" (ebd. 150).

Stärker konfliktbeladen als das Bettnässen ist das aggressive Verhalten. Aggressive Handlungen können sich sowohl gegen die eigene Person als auch gegen andere richten. Autoaggressive Verhaltensweisen sind zum Beispiel "Kopfschlagen, Haareausreißen und Selbstbeschädigungen..." (ebd.). Sie treten dann auf, wenn dem Kind aggressive Handlungen gegen andere nicht möglich sind oder wenn es sich fürchtet, für solche extrem hart bestraft zu werden schlimmstenfalls mit dem Tod.

Aggressive Handlungen gegen andere treffen vor allem die Pflegenden und die Eltern. Die Kinder widersetzen sich zum Beispiel der Verrichtung routinemäßiger therapeutischer Eingriffe, wie der Blutentnahme, oder sie verweigern die Einnahme notwendiger Medikamente (vgl. WOLFF 1979, 54 f.). Je größer die Angst und die Unsicherheit der Kinder, desto heftiger zeigen sich aggressive Impulse, die nicht selten die Form von Wutausbrüchen oder Sachbeschädigungen annehmen. Die Kinderärztin Ulrike PUYN berichtet von einem zwölfjährigen Jungen mit Muskeldystrophie: "Schon nach wenigen Wochen war es mit seiner 'Tapferkeit' vorbei. Er schrie, tobte, warf mit Geschirr und Schuhen nach uns, riss sich die Infusionen aus der Vene, beschmierte die Wände, verweigerte jegliche Nahrung, beschimpfte die Schwestern mit den schlimmsten Worten. Seine Eltern schrie er an und schickte sie fort, was sie ihm mitbrachten, zerstörte er oder sah es gar nicht an" (PUYN 1984, 49). Erst ausführliche, behutsame Gespräche brachten seine Todesängste und sein Verlassensein zum Vorschein und setzten eine offene Kommunikation innerhalb der Familie in Gang.

Die Pflegenden, vor allem die Ärztinnen und Ärzte, werden deshalb oft zum Opfer der Aggressionen, weil sie es sind, die den Kindern Schmerz zufügen (zum Beispiel Injektionen, Punktionen) und die die Macht darüber haben, ob ein Kind im Krankenhaus verweilen muss oder nach Hause entlassen werden kann.

Nur dann, wenn die Kinder für die Aggressionen nicht bestraft werden, sondern wenn sie ermuntert werden diese, gegebenenfalls kanalisiert, zu äußern, nur dann, wenn die Pflegenden und die Eltern die aggressiven Hilferufe verstehen lernen, kann die Angst der Kinder thematisiert und unter Umständen gemildert werden. Auffällige Verhaltensweisen "... signalisieren, dass das betreffende Kind in einer ganz besonderen existenziellen Situation ist, lebensbedrohlich krank und in seiner direkten Kommunikation eingeschränkt. Es signalisiert, dass es damit nicht fertig wird" (WOLFF 1979, 55).

3.3.1.3 Zeichnungen

Kinder können ihre Ängste und Spannungen zwar spüren, aber vor allem jüngere sind nicht in der Lage, ihre Gefühle zu bedenken und zu verbalisieren. Aus diesem Grund ist es für die Begleitenden erforderlich, Verfahren anzuwenden, die die innere Situation der Kinder transparent werden lassen. [Unter dem Stichwort "Projektive Tests" sind eine Vielzahl psychologischer Untersuchungsmethoden entwickelt, bei denen die Versuchsperson zu Bildern, Geschichten oder Spielszenen Kommentare abgibt oder selber gestalterisch tätig wird (vgl. RAUCHFLEISCH 1980, 78). Die Äußerungen oder Gegenstände bilden dann die Grundlage für eine psychologische Deutung bzw. Interaktion.]

Eine der gebräuchlichsten Möglichkeiten, die den Kindern zudem Freude bereitet und von ihnen nicht als "außergewöhnliche Testsituation" begriffen wird, ist das Anfertigen von Zeichnungen.

Mit der systematischen Auswertung von Kinderzeichnungen hat sich erstmalig die englische Kinderpsychotherapeutin Susan BACH beschäftigt. Sie kann anhand der Bilder Aussagen über mögliche Krankheitsverläufe machen und benutzt sie sogar als diegnostische Hilfe. "Krankheitssymptome und -prozesse reflektieren sich darin in spezifischen, wiederkehrenden Zeichen, Farben, Formen, Symbolen... Die sachgemäße Auswertung solcher Bildnereien kann daher einen Beitrag zur Früh- und Differentialdiagnose, zur Prognose und zur Prophylaxe leisten" (BACH 1961, 8). Kinderzeichnungen "... können helfen, Ängste zu erkennen, wobei das Malen und Sprechen über diese Belastungen schon ein wenig von dem Druck aufheben kann" (HAAS 1981, 8 ). Gisela HAAS sieht in den Bildern die Möglichkeit, die Ängste aufzudecken, die durch den Klinikaufenthalt der Kinder und durch die mit der Krankheit verbundenen Spannungen in der Familie und in der Schule entstanden sind; "schließlich die Ängste, die mit den krankheitsbedingten Veränderungen ihres Körpers bis hin zur Todesangst verknüpft sind" (ebd. 10; Vgl. BÜRGIN 1978, 121; LEIST 3. Auflage 1982, 129; PUYN 1984, 47 f.; RAIMBAULT 2. Auflage 1981, 13 ff.). Zugleich warnt sie vor einer unsachgemäßen Anwendung, zum Beispiel durch Überinterpretation (vgl. ebd. 7).

Die Zeichnungen können für Kinder zu einem Ventil ihrer inneren Spannungen werden, das zugleich eine therapeutische Wirkung ausübt. [Der Psycholoae Kaspar KIEPENHEUER berichtet von einem leukämiekranken Jungen, der von seinem 7. bis 9. Lebensjahr über 300 Zeichnungen anfertigte (vgl. KIEPENHEUER 1978, 284)]. Durch die Interpretation der Bilder wird deutlich, dass viele der sterbenden Kinder sehr genau über ihren Gesundheitszustand im Bilde sind auch dann, wenn sie nicht von den Pflegenden oder der Familie davon unterrichtet worden sind. "Alle Kinder wissen (nicht bewusst, sondern intuitiv) über den Ausgang ihrer Krankheit Bescheid" (KÜBLER-ROSS 1984, 15). Dieter BÜRGIN beschreibt die Zeichnung eines achtjährigen, leukämiekranken Jungen, die dieser viereinhalb Monate vor seinem Tod angefertigt hat. Das Bild zeigt vier Blumen und einen Baum. Die fünf Pflanzen symbolisieren die Mitglieder der Familie des Jungen, wobei er sich selbst eine besondere Rolle (Baum) zuschreibt. Seinen baldigen Tod deutet er dadurch an, dass der Stamm des Baumes, und damit dessen lebenswichtige Leitungsbahnen, durchtrennt sind (vgl. BÜRGIN 1978, 208). Ein anderer Junge, der zehnjährige, krebskranke Mathias, malt während eines Rezidivs ohne Heilungsaussicht in dunklen Farben einige Berge. "Wie genau Mathias seine Zukunftsaussichten kennt, scheint mir erschreckend deutlich in dem Bild mit den blauvioletten Bergen, die von schwarzen sich schlängelnden Wegen durchschnitten werden. Auf allen Spitzen stehen schwarze Kreuze" (HAAS 1981, 128).

Neben der Todesahnung drücken sich in den Kinderzeichnungen zum Teil auch die Todesart und der Todeszeitpunkt aus. Ginette RAIMBAULT beschreibt die Bilder von nierenkranken Kindern und weist nach, dass die Todesart verschlüsselt oder direkt in die Zeichnungen einfließt. Etienne (ohne Altersangabe) zeichnet einen Mann unter einer Palme:"Er ist in der Wüste, ihm ist sehr warm. Er hat Durst. Er schläft ... Ich sterbe vor Durst!" (RAIMBAULT 2. Auflage 1981, 15).

Angaben über den Todeszeitpunkt finden sich zum Beispiel in der Anzahl bestimmter Motive oder in ausgeschriebenen Zahlen. Der zwölfjährige, leukämiekranke Laurenz malt ein Kampfflugzeug, dessen Flügel lange Einschnitte aufweisen und dadurch zerbrechlich erscheinen. Das könnte auf das baldige Ende seines eigenen "Fluges" durch einen Absturz hinweisen. Auf dem Seitenleitwerk steht die "Unglückszahl" 13. "In diesem Zusammenhang gewinnt die Zahl 13 neue Bedeutung: Laurenz starb einige Monate nach seinem 13. Geburtstag" (BÜRGIN 1978, 261). Der achtjährige, leukämiekranke A. (ohne Angabe des Namens) malt auf seinem letzten Bild eine friedliche Szene mit religiösen Motiven (freundlicher, strahlender Christus im Himmel). Vom Himmel führen sieben Strahlen zur Erde, wo A. im Krankenhauszimmer liegt. "Hat diese 7 eine Bedeutung für das Leben dieses Kindes? Oder: was für 7 Einheiten trennen A. vom Himmel, bzw. führen ihn dorthin? ... In der Nacht vom 11. auf den 12. Juli 1974, 7 Tage nach seiner letzten Zeichnung, stirbt A. an einem schweren Lungeninfekt" (KIEPENHEUER 1978, 295).

Die Auswertung der Zeichnungen schließt das pädagogisch taktvolle Gespräch mit den Kindern ein, wobei das Kind entscheidet, wie tief die Auseinandersetzung seine seelischen Probleme berühren soll. "Im Gespräch mit den Patienten über ihre Zeichnungen muss, - wie auch bei vorwiegend verbalen Produkten -, ihre Abwehr taktvoll respektiert werden. Das Kind soll bestimmen, wie weit der Therapeut gehen darf" (BÜRGIN 1978, 276; Vgl. Kap. 3.2.1)

3.3.2 Verbale Kommunikation

3.3.2.1 Symbolhafte Sprache

Viele sterbende Kinder, die über ihre Zukunft reden wollen, stellen keine direkten Fragen, sondern machen Andeutungen und benutzen eine symbolhafte Sprache. "Patienten, die 'zu jung zum Sterben' sind, werden sich einer Symbolsprache bedienen..." (KÜBLER-ROSS 3. Auflage 1982, 28 f.). Eine Voraussetzung für das Verständnis der indirekten Sprache ist das Ernstnehmen der Situation, in der sich das Kind befindet. Eltern, die das Sterben des Kindes verleugnen und ihm zum Beispiel alles das erlauben, was vorher verboten war, oder ihm ungewöhnlich viele oder teure Geschenke machen, verwirren es mehr, als dass sie ihm helfen. Außerdem provozieren sie dadurch zusätzlich den Neid der Geschwister und sorgen unnötig für Schuldgefühle. Der wichtigste Schritt im Trauerprozess der Betreuenden ist deshalb das Akzeptieren des Todes, d.h. die eigene Standortbestimmung, bei der die psychologisch-pädagogischen Fachkräfte des Krankenhauses im allgemeinen eine große Hilfe sind.

Oftmals wählt sich ein Kind unter der Vielzahl der Betreuenden eine Person seines Vertrauens aus, von der es verstärkte Zuwendung erwartet und der es zum Teil eher nebensächlich, zum Teil sehr offensichtlich Einblick in seine Ängste gewährt. "Der 4 Jahre alte Klaus, an einem inoperablen Hirntumor erkrankt, bat seinen Urgroßvater, ihm seine Taschenuhr zu leihen, wenn er im Krankenhaus liegen müsse. Beim Öffnen der Uhr ertönte eine kleine Tanzmusik... Eines Abends gab er sie mir mit den Worten: 'Sie kann mir nicht mehr helfen'... Vier Stunden später starb Klaus" (PUYN 1984, 46). Die Diakonin Erika OSTERMANN berichtet von einem ähnlich symbolhaften Gespräch mit einem fünfjährigen Dialysepatienten. "Und nach einer Pause sagte er: 'Aber weisst du, was noch schlimmer ist? Wenn man ins Gefängnis muss.' 'Kinder kommen nie ins Gefängnis.' Und er tat, als ob er meine Antwort nicht gehört hätte, wischte die Worte sozusagen weg. 'Weisst du, wenn sie den Schlüssel stecken lassen, dann kann ich ihn ja nehmen und weglaufen. Aber wenn sie abschließen und weggehen, dann muss ich immer im Gefängnis bleiben'" (OSTERMANN 1977, 12). Marielene LEIST interpretiert den Dialog und meint: "Die Ausweglosigkeit seiner Krankheit veranlasst das Kind, so zu sprechen. In Wirklichkeit ist nicht vom Gefängnis, sondern vom Grab die Rede" (LEIST 3. Auflage 1982, 104).

Das zentrale Thema der indirekten Sprache ist die Angst vor dem eigenen Tod. "Einmal rief Susan mitten in der Nacht ihre Lieblingsschwester und fragte nur: 'Was geschieht, wenn ich im Sauerstoffzelt bin und Feuer ausbricht??... Die ältere Schwester sagte der jüngeren, dass dieses kleine Mädchen mit ihr über das Sterben reden wollte... Sie redeten ungefähr fünfundvierzig Minuten miteinander und teilten sich alles mit, was gesagt werden mußte..." (KÜBLER-ROSS 3. Auflage 1982, 31 f.).

Wenn die Kinder älter sind, kreisen die Gespräche um die Fragen nach dem, was nach dem Tod kommt, um die zurückbleibende Familie und um die Angst vor Schmerzen und Alleinsein in der Terminalphase. Oftmals wird in diesem Zusammenhang das Interesse an regligiösen Fragen geweckt und die behutsame Einführung in das religiöse Denken, bzw. seine Vertiefung, kann zur Angstbewältigung beitragen. "Über das Gebet hinaus bietet der Glaube noch mehr Trost an. Wie viele Geschichten gibt es im Alten und Neuen Testament, wo Gott bei denen ist, die Angst und Leid und Tod erfahren" (LEIST 1982, 146 f.). Die Einstellung der Eltern spielt bei der Diskussion religiöser Fragen eine zentrale Rolle und sie sollten, wie bei allen anderen Gesprächen auch, sofern die Kinder nichts Gegenteiliges wünschen, unterrichtet sein.

Eine offene Kommunikation und Interaktion hilft vielen sterbenden Kindern, den Trauerprozess durchzustehen, durch den das eigene Sterben hingenommen werden kann, auch wenn die Kinder wissen, dass die Eltern dadurch schwer getroffen werden. Im Ringen um die Unabhängigkeit von den Gefühlen der Eltern gelangen manche Kinder zu einer Reife, die für das Erleben von Krisensituationen bei Kindern ungewöhnlich ist. "Das Sich-Entziehen in den Tod lässt uns das Kind in einer Unabhängigkeit und Reife erleben, die es uns voraus hat, die wir noch nicht mit ihm teilen können" (ebd. 141; Vgl. ASPERGER 1969, 365; FUCHS 1984, 142; HAAS 1981, 106; KÜBLER-ROSS 3. Auflage 1982, 186 f.; LÖBSACK 2. Auflage 1984, 159 f.; PUYN 1984, 45). Solche Kinder regeln die Zeit nach ihrem Tod, zum Beispiel durch testamentähnliche Verfügungen (vgl. KÜBLER-ROSS 1984, 162), und können frei über ihr Sterben sprechen. "'Wissen Sie, was ist schon das Leben für mich? Es kann schön sein, aber wenn man es mir wegnimmt, werde ich es nicht einmal wissen.' Monique hat das höchste Wissen erreicht, das Menschen vom Tod haben können - sie werden nichts davon wissen. Der Tod hebt den Gedanken auf" (RAIMBAULT 2. Auflage 1981, 25).

3.3.2.2 Geschichten und Märchen

Viele Erwachsene, die von Kindern über Tod und Sterben befragt werden, versuchen vereinfachte biologischmedizinische Erklärungen zu geben und die Fragen der Kinder "vernünftig" zu beantworten. Diese Einstellung ist zunächst zu begrüßen, denn sie baut unnötige Ängste vor therapeutischen Maßnahmen oder Schmerzen ab. Andererseits werden existenzielle Fragen, zum Beispiel solche nach dem Grund (warum gerade ich?) oder nach der Zukunft (was kommt danach?), nur ungenügend beantwortet. Antworten auf solche Fragen lassen sich für Kinder besser mit Hilfe symbolhafter Erzählungen, wie Märchen, biblische Geschichten und Kindergeschichten, finden. "Diese indirekt-erzählende und fabulierende Kommunikationsweise ist gerade dort angebracht, wo Angst im Spiele ist" (STOLLBERG 1984, 334). Einem zwölfjährigen Jungen half zum Beispiel die Geschichte vom Sterben des Indianers Winnetou von Karl MAY, die er am Vorabend seines Todes gemeinsam mit seinem Vater besprach. "Er las diesen Band so gern, weil Winnetou hier sterben muss. Er erzählte mir den Tod des großen Häuptlings ausführlich und sagte mir: 'So Vati, jetzt will ich dir den Abschnitt vorlesen' ... So war das Vorlesen der Geschichte von Winnetous Ende eine Vorahnung seines eigenen Todes ..." (BENNHOLDT-THOMSEN 1959, 124).

Durch die Identifikation mit den Hauptpersonen der Geschichte werden Handlungsmuster angeboten, die einen phantasievollen, kindgemäßen Umgang mit dem Problem des Todes vorführen, den das Kind - und die Begleitenden -vielleicht noch nicht bedacht haben. Allerdings bieten nicht alle Kinder- und Jugendbücher, die den Tod thematisieren, einem sterbenden Kind die gleiche Hilfe. Aus der Vielzahl der Angebote (vgl. SCHINDLER 1981, 85 ff.) scheinen eher solche Bücher bzw. Geschichten geeignet, die eine erinnerungs- und lebenspraxisbezogene Bewältigung des Sterbens vorschlagen. Damit sind Geschichten gemeint, die die Erfahrung des Todes durch die Lebenden darstellen und nicht vorschnelle Erklärungen oder triviale Sinndeutungen anbieten. "Diese Spannung, den Tod weder verschweigen noch vollständig erklären zu können, macht eine gute Realisierung des erinnerungs- und lebenspraxisbezogenen Todesbildes aus" [HIDDEMANN 1985, 37; Frank HIDDEMANN (1985, 38 ff.) empfiehlt besonders Peter HÄRTLINGs "Oma" und "Alter John" und Aidan CHAMBERS "Tanz auf meinem Grab", denen noch z.B. Astrid LINDGRENs phantasievolles "Brüder Löwenherz" hinzuzufügen wäre.

Sinnvoll können auch frei erfundene Geschichten sein, in denen es dramatische Höhepunkte zu bewältigen gilt (vgl. GARDNER 1975, 110 ff.) und die unter Umständen wechselseitig erzählt werden. Ginette RAIMBAULT berichtet u.a. (vgl. RAIMBAULT 2. Auflage 1981, 49 ff.) von einem zwölfjährigen, nierenkranken Jungen, der einen Monat vor seinem Tod die Angst vor seinem Sterben in Geschichten ausdrückt und sich dadurch erleichtert. "'Das ist die Geschichte einer Sintflut, die sich der Erde nähert. Es besteht keine Hoffnung mehr, die Erde zu retten. Oder bleibt vielleicht doch eine...? Sie werden es in der nächsten Nummer erfahren...' Die Geschichte wird in der nächsten Nummer fortgesetzt, alle Menschen werden ins Weltall hinausgeschleudert. Die Leute sterben an Sauerstoffmangel" (RAIMBAULT 2. Auflage 1981, 33 f.).

Eine andere Möglichkeit, die eigene Todesangst zu bearbeiten, eröffnet sich sterbenden Kindern durch Märchen. [Eine reichhaltige Auswahl von Märchen zum Thema Tod und Sterben bieten Dieter RICHTER (1982) und Dietrich STEINWEDE ( 1980).] Märchen führen vor, dass gerade der Schwächste das Böse ertragen und besiegen kann, und dass die liebende Beziehung zu einem Anderen sogar den Tod überwindet. "Die Märchen lehren, dass man aufgrund einer solchen Bindung die höchste dem Menschen mögliche emotionale Lebenssicherheit und eine dauerhafte Beziehung erreicht; dies allein kann die Angst vor dem Tod zerstreuen" (BETTELHEIM 6. Auflage 1983, 17). Dadurch, dass das Märchen eine Phantasiewelt konstruiert, wird es möglich, zeitweilig die reale Welt zu vergessen. Obwohl die Irrealität der Märchenwelt auf der einen Seite durchschaut wird, ist es auf der anderen Seite genau diese Irrealität, die zum heilsamen, sinnerschließenden Abbild der Wirklichkeit wird. "Und auch jene elementarste Bedingung der Welt, wie sie ist, wird in ihrem utopischen Spiegelbild außer Kraft gesetzt: dass die Menschen sterben" (RICHTER 1982, 135).

3.3.2.3 Biblische Geschichten und Jenseitsvorstellungen

Für Kinder, die einen Zugang zur religiösen Vorstellungswelt haben, können biblische Geschichten eine Hilfe sein. Viele Gedanken sind auch für religiös nicht vorgebildete Kinder verständlich, denn sie beschreiben zum Teil archetypische menschliche Lebenesituationen (vgl. LEIST 3. Auflage 1982, 176 f.). Biblische Geschichten eröffnen Zukunftsperspektiven durch das Erfahren von dem, was andere in ähnlichen Krisen erlebt haben. Insofern sind es Angebote, das eigene Leiden und Sterben auf Hoffnung (Gesundung, Erlösung; Vgl. Kap. 3.2.1) hin zu diskutieren und annehmbar zu machen. Bei einer Auswahl "... müsste man Geschichten aus der Bibel erzählen, die das Bild von einem gütigen Gott im Kind bestärken" (SCHINDLER 1979, 36) und die ungebrochene Zusage Gottes an die Menschen, auch über den Tod hinaus, deutlich werden lassen (vgl. LEIST 3. Auflage 1982, 181). Eine sorgfältige Auswahl ist deshalb sinnvoll, weil durch die negative Darstellung des Todes, zum Beispiel als Strafe für begangene Sünden, die Angst vor dem eigenen Sterben eher verstärkt als gemildert wird.

In biblischen Geschichten wird deutlich, dass die Gemeinschaft mit Gott den Menschen im Leben und im Tod umfasst, obwohl sie nicht genau zu definieren ist und die menschliche Vorstellungskraft übersteigt. Gott lässt Ohnmacht und Klage zu und seine Zuwendung macht das Leiden und Sterben erträglich (Urvätergeschichten, Königszeit, Gleichnisse, Heilungsberichte),Gott ist mehrdimensional, denn er ist Heiland und Tröster bei gleichzeitigem Zulassen von furchtbarem Elend.

Für sterbenskranke Kinder kann deutlich werden, dass Leiden und Sterben nicht von Geborgenheit und Zukunft trennen, und dass da, wo menschliche Macht aufhört ,zum Beispiel über die Krankheit, Gottes Macht weitergeht.

"Wichtig sind im Zusammenhang mit dem Tod natürlich alle Geschichten, die um Ostern herum spielen" (SCHINDLER 1979, 36). Im Christusgeschehen zeigt sich Gottes Treue, denn er hat seinen geliebten, einzigen Sohn sterben lassen, um alle anderen Menschen zu befreien. Für sterbende Kinder ist es entscheidend wichtig, dass Jesus seinen Leidensweg bis zum Ende ging und, obwohl er glaubte verlassen zu sein, von Gott unvergleichlich gerettet und erhöht wurde. Die neunjährige Dialysepatientin Sabine meint: "Aber weisst Du, welche Geschichte von Jesus die schönste ist? Die mit der leeren Höhle... wo sie alle denken, nun ist Jesus aber wirklich tot und sie wollen ihn besuchen in seinem Grab. Da ist die Höhle leer, er ist gar nicht für immer tot geblieben. Das ist doch gut!" (OSTERMANN 1981, 79).

Biblische Geschichten können heilsam und tröstend sein. Da sie aber die Phantasie ansprechen, können sie auf der anderen Seite auch ungewollte Nebenwirkungen hervorbringen, die das Diffuse des Jenseits zum Bedrohlichen und Angsteinflößenden werden lassen. Gespräche über das Jenseits sollten deshalb äußerst behutsam geführt werden und deutlich werden lassen, dass man über das, was nach dem Tod kommt, zwar nichts wissen, aber dafür glauben kann (vgl. LEIST 3. Auflage 1982, 180).

Im Zentrum der Jenseitsvorstellungen steht bei sterbenden Kindern die Hoffnung, die Eltern und Geschwister irgendwann wiederzusehen. Vorstellungen, die das Jenseits als eine Form des Schlafs interpretieren, sind nicht unbedenklich, da Kinder dann oftmals große Angst vor dem Einschlafen oder vor Narkosen bekommen oder aus schlechten Träumen die Bösartigkeit des Jenseits ableiten. Andererseits ist es für jüngere Kinder schwer verständlich, dass der Tod das Ende sein soll. Ein Schlaf, aus dem man wann erwacht oder auferweckt wird, so dass man wieder bei den Eltern ist, nimmt der Trennung ihre schreckliche Endgültigkeit. Schilderungen des Jenseits als Paradies im Himmel, in dem alle Wünsche erfüllt werden, können zwar vereinzelt ein Trost sein, werden aber im allgemeinen nicht mehr akzeptiert. "Die Vorstellung von einem Leben im Jenseits ist überholt" (ebd.). Vorstellungen, die nach dem Tod die Seele - als das eigentlich Menschliche - weiterexistieren lassen, stehen zum Erleben der Kinder im Widerspruch. Der Körper ist der wichtigste Teil sterbender Kinder und eine Missachtung des Körpers straft die bisherigen, zum Teil qualvollen therapeutischen Maßnahmen Lügen. "Durch die überholte Auffassung, dass der Tod die Trennung von Leib und Seele sei, wird ... das Leid nicht ernst genug genommen" (ebd. 179).

Der Tod ist das Ende des ganzen Menschen, so wie wir ihn kennen (vgl. ebd.), und die Zuwendung Gottes beginnt dort, wo die Kinder in ihrem Sterben nicht allein gelassen werden, sondern sich der Zuwendung ihrer Familie und ihrer Pflegepersonen sicher sein können.