Filip Machač

Portal des Tempels

Mein heutiger Mitarbeiter, in Sizilien geboren, sagte mir, dass alles, was es gebe, nur in deinem Kopf sei. „Nur in deinem Kopf!“ wiederholte er und haute dabei ganz theatralisch mit der Faust vor seine Stirn. Dann sagte er, dass alles Gottes Wille sei und dass alles von Gott komme. Ich fragte ihn, ob auch die Kohle von Gott komme. Er antwortete, dass sich die Menschen die Kohle ausgedacht und damit alles verschissen hätten. „Du kannst im Wald leben und dafür brauchst du kein Geld, aber wenn du in die Stadt kommst, dann nimmt dich dieses System auf und du musst nach Geld für Miete, Essen, Kinder… schauen.“ „Hast du Kinder?“ fragte er mich … „Nein“. „Ich habe… Es ist eine komische Welt,“ bemerkte er und nahm dabei seinen Abbruchhammer vom Boden. Auch ich nahm meinen Abbruchhammer, stieß auf eine Wand der alten Psychiatrischen Klinik und begann die Wand wegzuhauen Überall war Staub. Der Gesichtsschutz, den ich hatte, war totaler Mist. Meine Augen brannten mir von der Glaswatte, die überall herum flog.

Dann sagte er mir noch, dass alles woran man denke, auch geschehe. Ich verstand es nicht, weil ich nicht irgendwie bewusst verlangte, die alte psychiatrische Klinik abzubauen und 8 Euro pro Stunde dafür zu kriegen. Einen Tag zuvor las ich Lacan. Der glaubt, dass es drei Welten, die eine ganz unterschiedliche Ordnung haben, gibt. Die symbolische Welt, das ist die Welt der Sprache, die imaginäre Welt, das ist Welt von unseren Bildern und Ansprüchen, und die reale Welt, das ist die Welt der realen Sachen. Die imaginäre Welt bezieht sich immer auf die reale Welt. Der Mensch sucht in der realen Welt etwas, was ihn befriedigen kann. Aber es sieht so aus, als ob er es nicht finden kann. Es ist wie der tragische Sisyphos Komplex. Vielleicht ist gerade diese Lücke die Quelle des Lebens. Das Leben ist eine Lücke zwischen dem, was man will, und dem, was man nicht finden kann. Die Tragik des Raumes umarmt mich und ich habe den Hals voll vom Staub und die Augen brennen immer noch von der Glaswatte. Ich baue die Wände der alten psychiatrischen Klinik ab und in der Tat bin ich nur in einer Lücke des Lebens, in einem kleinem Spalt, an der Grenze zwischen dem, was ich will und dem, was ich nicht finden kann. Falls der Sisyphos aufhört den Stein hochzuschieben und anhält, dann stürzt ihn der Stein mit seiner Anziehungskraft. Falls sich die Lücke des Lebens der Anziehungskraft ergibt, kommt das Chaos, Tod, Nichts… Es ist wie ein Spiel zwischen Heiligkeit der Verleugnung und Heiligkeit der Lücke, der Annahme… Ich schmeiße meinen Abbruchhammer aus dem Fenster der alte psychiatrische Klinik, nehme die verdammten acht Euro pro Stunde an, weil ich sie in einer halben Stunde beim Tempel in der Stadtmitte sehe, weil wir verabredet sind, weil wir unauffällig in der kleinen Lücke levitieren, im kleinen Spalt…

Sie stand vor dem Portal der Tempel und rauchte. Ich kam zu ihr, sie blickte mich an (und sagte dabei: „Mein Vater ist gestorben.“ Ich schaute in Ihre Augen. „Was soll ich sagen?“ „Sag nichts, antwortete sie und machte dabei ihre Zigarette aus. Sie redete schon die ganze Nacht nicht darüber. Sie wollte machen, dass nichts passierte. Vielleicht ist wirklich nichts passiert. Das Leben ist wie ein Augenwink der Eidechse, der Blitz, den du anhalten willst. Heute fliegt sie nach Georgia zu ihrem Vater, dem sie jeden Monat das Geld für Morphium schickte, damit er keine Schmerzen erleidet, ihn zu beerdigen. „ Vom stehenden Gewässer des Lebens die heftige Sterne herrschen.“ Der Schnee fällt auf die Dächer von Freiburg. Es geht nur darum die Energie von jedem Augenblick angreifen, annehmen und verarbeiten zu können. „Wenn du beginnst die Energie der Augenblicke anzunehmen (die Energie der Augenblicke), die schon weg sind, dann läufst du gegen den wilden Fluss.“ S. sagte mir gestern, dass sie sich manchmal selber verliert, dieser Verlust ist wie eine Ohnmacht, ein Fall in den Nebel des Nichts, des Todes. Thanatos und Eros sind zwei Enden desselben Kreises. Du gehst, gehst, immer gehst du, zum einsamen Morgen. In einer schmutzigen Kneipe gibst du dem Unsinn einen Sinn. Wenn die Hunde die Augen öffnen, holt der Vollmond die anmutigen Träume ab!