mixed pixels - nam june paik
name june paik students. video dreams - ausstellung im kunstmuseum duesseldorf vom 5.4.-5.5.1996

Wulf Herzogenrath

Students of Paik

Was einen Lehrer auszeichnet, haben alle seit dem Schulzwang, bzw. der allgemeinen Ausbildungs-Pflicht in einer Schule in Deutschland (also zumindest seit 1920) selbst erlebt: dies war eine demokratische Maßnahme, allen gleichermaßen eine Ausbildung zu gewähren, unabhängig vom Einkommen der Eltern.

Wenn Erwachsene lernen, studieren, auf dem zweiten Bildungsweg sich fortbilden, dann gehört schon eine besondere Motivation dazu und der Lehrer hat es meist leicht, weil das Ziel des Lernenden klar umschrieben ist, er/sie dafür (z.T. sehr viel) bezahlt.

Wenn aber StudentInnen an einer Kunstakademie den "staatlich geprüften Künstler-Status" als Herausforderung annehmen, dann kann man jeweils höchst unterschiedliche, individuelle Lernziele, Lebenserwartungen und Vorstellungen feststellen.

Bei Nam June Paik als Lehrer weiß man, was man hat: einen welterfahrenen Künstler, der sowohl in der Fluxus-Bewegung als Anti-Künstler und sogenannter "Bürgerschreck" Erfahrungen gesammelt hat, wie auch als Ausstellungs- und Kunstmarkt-Star sehr erfolgreich ist - in diesem ungewöhnlichen, aber für Studenten sicherlich besonders faszinierenden Spagat ist er nur mit seinem Freund Joseph Beuys vergleichbar.

Paik als Lehrer zu haben heißt auch, es mit einem Künstler und Menschen zu tun zu haben, der andere vollgültig gelten läßt, dessen Künstlerego nicht darin endet, andere aufzusaugen oder zu verdrängen, sondern anzuerkennen: so sind Paiks Danksagungen in Texten oder Videobändern, in Katalogen oder Satelliten-Sendungs-Nachspann-Zeilen so lang, ausführlich und mit Hinweisen auch auf die kleinste Anregung gefüllt. Ist es die sprichwörtliche asiatische Höflichkeit und/oder auch eine Portion Schlauheit, die positiven Aspekte der anderen hervorzuheben, selbst wenn sie integral im eigenen Werk amalgamiert worden sind? Schüler von Paik lernen von Anfang an, daß künstlerisches Tun komplex nicht nur aus dem eigenen Inneren, sondern auch mit der Erfahrung und der Kenntnis anderer entsteht - nicht nur bei Kunstwerken der sogenannten Neuen Medien.

Paik als Lehrer heißt auch, daß er seltener als andere anwesend war, aber dann so intensiv, offen und im Gespräch wach - ohne Einseitigkeit einer Stilvorstellung, sondern als Vorbild für eine künstlerische Haltung, die Festigkeit und Biegsamkeit verbindet - so wie der Bambus zum Symbol einer solchen Verbindung wurde, die im westlichen Denken eher eine Ausnahme ist. Daß er Verbindungen zu internationalen Produktions-Stätten, Kuratoren, Kunsthändlern etc. für seine Studenten herstellt, ist sicher im Praktischen äußerst hilfreich.

Kaum einen anderen Künstler habe ich erlebt, der so intensiv von Jüngeren sprach, wenn er überzeugt war. Er holte immer wieder Kunsthistoriker, Museumsleute, Ausstellungsmacher stellvertretend für sich in seine Klasse – und diese Nachmittage waren anregend für beide Seiten. Ich erinnere mich gern an diese Stunden, wo die Studenten ihre Werke zeigten und ich Dias von anderen Werken vorführte als Teil der Lehre von Paik. Er konnte uns immer wieder überzeugen, zu schauen, zu sprechen, sich zu engagieren. Seinem Charme und seiner Überzeugungskraft entzog man sich selten.

Und ein gewichtiger, über viele Jahrzehnte führender, erfolgreicher Künstler sollte, auch wenn er seltener in seiner Klasse ist, auch starke Künstler in der Akademie anziehen, die dies aushalten und die eine solche Chance zu nutzen wissen.