ed gein THRILL KILL CULT

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Eckhard Hammel

Serial Killer & Film

Eine entscheidende Schnittstelle zwischen Film und Serienmord fällt in das Jahr 1957. Am 16. November 157 verschwand in Plainsfield, Wisconsin, die 58jährige Bernice Worden. Als Sheriff und Deputy im Zuge routinemäßiger Befragung der Bewohner herausfuhren zu Edward Gein, dem seit seiner Kindheit gehänselten und abgeschieden lebenden Dorftrottel, dieser nicht zu Hause war, und die Wachtmeister daraufhin um's Haus schlichen und durch die Fenster schauten, entdeckten sie in der verschmutzten Hütte einen von der Decke herabhängenden, dekaptierten und ausgenommenen Torso. Bei den Untersuchungen stellte sich heraus, daß er zu Benice Worden gehört hatte. Und man fand noch mehr in der Bude: aufbewahrte Körperorgane, Kleidungsstücke aus Menschenhaut und mit Menschenhaut bespannte Masken und Möbelstücke, einen Gürtel, versehen mit weiblichen Brustwarzen und weitere Körperteile von insgesamt elf Frauen.
Ein Raum war verschont von diesen Dingen und seit zwölf Jahren unberührt: das Zimmer der verstorbenen Mutter Augusta, die ihn - wie es heißt - vor fleischlichem Gelüst nach dem Weibe habe bewahren wollen. Im Verhör gestand der bibelkundige Ed Gein, zahlreiche Frauenleichen vom Friedhof gestohlen und gefleddert, sowie Bernice Worden und drei Jahre zuvor die 54jährige Kneipenbesitzerin Mary Hogan getötet und sie im Geiste des Herrn von ihren sündigen Innereien befreit zu haben. Entrüstet wies er die Frage nach sexuellen Kontakten mit den Leichen oder ihren Teilen weit von sich, er, der immer nur schlicht und einfach eine Frau hatte sein wollen.
Das unvorstellbare Wirken Geins ist im Medium der Vorstellbarkeit alles Unvorstellbaren immer wieder aufgetaucht: Tobe Hooper macht es mit seinem sadistischen Leatherface im Texas Chainsaw Massacre zum Thema, Alan Ormsby in Deranged (1974), einem Film, der den sangesfreudigen Ezra mit seiner Mutter Amanda präsentiert oder Peter Jackson in Braindead. In Jonathan Demmes The Silence of the Lambs (1991) lautet Hannibal "the Cannibal" Lecters Psychogramm des gesuchten Frauenmörders Buffalo Bill, das sich an die weibliche Detektivin wendet: "He covets being the very thing you are." Die klassische und wohl berühmteste Verfilmung des Stoffes allerdings handelt - nach einer Novelle des einstigen Gein-Nachbarn Robert Bloch - von dem mörderischen Transvestiten Norman Bates in Alfred Hitchcocks Psycho (1960).
Für den Film gab es nicht nur Ed Gein: Claude Chabrol verewigte den ordentlichen Familienvater und "französischen Blaubart" Henri Desiré Landru, der nach dem ersten Weltkrieg heiratswillige Witwen per Annonce köderte und ermordete. McNaughtons Henry, der das Bekenntnis ablegt, er habe seine hurende Mutter gekillt, vereinigt Motive aus der Geschichte Geins mit solchen aus der Geschichte Henry L. Lucas. Man Bites Dog und Buttgereits Schramm, dessen gleichnamiger Held Lippenstifte sammelt, nehmen ebenfalls die Figur des Serienmörders auf; Buttgereit: "Wir holen unsere Themen (...) aus echten Killergeschichten.".

Einige Stich-Punkte: 1. Henry L. Lucas, Frederic West, Jeffrey L. Dahmer: Mörder, die filmten, oder Filmer, die mordeten? 2. Ian Brady und Myra Hindley, Nazi-Freaks und Manchesters multiple Moor Maniacs haben die Todeskämpfe der Kinder, die sie ermordeten, auf Tonband aufgezeichnet. Der Film-Henry zeichnet seine Krudität auf Video auf; das Team, das Ben aufnimmt, wird selbst aufgenommen usw. 3. Kürten, Gein, Landru, Lucas u.a. waren Ideenlieferanten, weil sie ein Vorbild abgaben, aber Manson konnte Ideenlieferant sein, obwohl er selbst an seinem spaktakulärsten Verbrechen nicht beteiligt war. 4. Umgekehrt hat Bundy, der Intellektuelle unter den Multicides, behauptet, erst durch gewalttätige Pornographie auf seinen Trip gekommen zu sein. Gewiß gibt es mehr Verfilmungen von Romanliteratur als von wirklichen Begebenheiten; Hitchcock, Lang, Waters u.a. haben keine biographischen Werke gedreht. John McNaughton hat dies auf den Punkt gebracht. Im Vorspann wird der Film Henry als "fictional dramatization" bezeichnet. "Man muß Fakten durch Fiktion ersetzen", kommentiert McNaughton die Relation von Lucas und Henry. So entwickle "die Filmstory (...) ihr Eigenleben". Sein Kommentar aber zu Lucas, diesem Mann, der mit der Spitzenselbstbezichtigung von 600 Mordfällen irgendwie den Überblick verloren hatte (realistischere Einschätzungen belaufen sich auf etwa 200), könne man nichts glauben, könnte auch ein Ratschlag an das Kinopublikum sein, dem Film nämlich nichts zu glauben. Im zwielichtigen Manson-Fall hinwiederum sah sich die Filmgeschichte offenbar genötigt den Ruch des Wirklichen nachzuliefern. Spielt das für die Wiedergabe eine Rolle? Die Zuschauer wollen Blut sehen, und das bekommen sie zu sehen.

 

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Markus Costamagna: Wieviel Morde sieht ein Zuschauer, wenn er nur sein Tv-Gerät einschaltet? Nicht mehr Geschwindigkeit pro Stunde, sondern Leichen pro Stunde. Etwa 40 in zwei Stunden oder mehr.
Seltsam ist nur, daß es einfach so hingenommen wird. Wo ist der nächste Tote? Auf dem Screen darf fabrikmäßig gestorben werden, um so blutiger desto besser. Zack, zack es mäht der Sensemann. Ein Klecks Blut auf dem Boden als der letzte Abschiedsgruß - "ich bin nach unbekannt verzogen." Die neue Tv- Generation würde sagen, er hat geloost. Die anderen müssen weitermachen, doch jeden kann es treffen. Die Mordmaschine Fernsehen läßt keinen aus. Das Alien ist in dem Kontext der Zuschauer - er will den Mord sehen, interaktiv würde das bedeuten, er mordet selbst, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen.

 

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