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4.2 Positionsgebundene Kritik

Die Einsicht in die unaufhebbare Weltanschauungs- oder Ideologie(+)-Gebundenheit hat nun auch Konsequenzen für die Fundamentalismus-Debatte, vor allem für die Fundamentalismus-Kritik. Nehmen wir an, jemand legt eine Kritik des amerikanischen Fundamentalismus mit bestimmten Argumenten vor. Die verstehende Analyse kann rasch zeigen, dass diese Kritik positionsgebunden ist. Sie erfolgt von einem bestimmten Überzeugungssystem aus. Das aber heißt: Die generelle Weltanschauungs-Gebundenheit macht auch die Kritik am religiösen Fundamentalismus nordamerikanischer Spielart zu einer an eine bestimmte weltanschauliche Position gebundenen Kritik. Wie weit diese Prägung reicht, muss allerdings noch geklärt werden.[16]

Eine solche Kritik am amerikanischen Fundamentalismus kann jedoch von mehreren Positionen aus erfolgen. So kann dieser konkrete religiöse Fundamentalismus von einem anderen religiösen Fundamentalismus, etwa dem jüdischen oder islamischen, kritisiert werden, aber auch von einer Position aus, die der offenen Religiosität zuzuordnen ist. Die Kritik kann ferner von einem profanen Fundamentalismus, aber auch von einer offenen Form profaner Weltauffassung getragen sein. Das sind die vier Grundmöglichkeiten.

Diese vier Grundmöglichkeiten können wir in einer groben Typologie der Weltauffassungen oder Ideologien(+) festhalten. Alle Menschen stecken – mehr oder weniger bewusst – in einem übergreifenden Überzeugungssystem. Dieses Überzeugungssystem ist entweder religiös oder profan. Sowohl bei religiösen als auch bei profanen Systemen können wir zwischen geschlossenen oder fundamentalistischen und offenen oder nicht-fundamentalistischen Spielarten unterscheiden. Von allen vier Grundtypen aber kann es eine Vielzahl von Konkretisationen geben. Vom Grundtyp ‘religiöse Weltanschauung fundamentalistischen Typs’ (RF 1 und 2) gibt es z.B., wie gesehen, unter anderem amerikanische, jüdische und islamische Ausdifferenzierungen.

Daraus folgt, dass es nie ausreicht, ein konkretes Überzeugungssystem einem der vier Grundtypen zuzuordnen – es ist darüber hinaus immer erforderlich, die Spezifik dieses Systems zu erfassen, und dazu müssen eben die ihm eigentümlichen Weltbild- und Wert-Annahmen freigelegt werden.

innerhalb eines bestimmten weltanschaulichen Rahmens statt; so kann es z.B. im Kontext des amerikanischen Fundamentalismus einen Streit über die genaue Bedeutung gewisser ‘Dogmen’ geben. Davon sind Auseinandersetzungen zwischen Anhängern unterschiedlicher Ideologien(+) abzugrenzen, also etwa ein Streit zwischen einem Vertreter offener Profanität und einem Vertreter geschlossen-fundamentalistischer Religiosität. Zu unterscheiden ist also zwischen ideologieinternen und -externen Auseinandersetzungen. Im folgenden werden die ersteren weitgehend vernachlässigt und die letzteren ins Scheinwerferlicht gerückt.


[16] Vgl. dazu Kap. 7.3.

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