THRILL KILL CULT

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Eckhard Hammel Anmerkungen zum Problem der Aufmerksamkeit
Was sich bereits Artauds Theater der Grausamkeit erhoffte: "Knechtung der Aufmerksamkeit" ist allen Splatters, ob komödiantisch oder beängstigend, zueigen. Diese Anspannung der Aufmerksamkeit ist nicht Konzentration, sondern Attention, Durchlässigkeit der Wahrnehmung auf etwas Präsentes hin. Auf dem Videocover zu Shocking Asia wird ein "Assault on your senses" angekündigt, und in Cannibal Holocaust sinniert man auf der Parkbank: "the more you rape their senses, the happier they are". Den Splatterfilmen kommt es nicht auf die Erzeugung narrativer Spannung an, sondern auf die Malträtierung der Sinne. Diesem Sachverhalt trägt bereits John McCartys Publikation aus dem Jahr 1984 mit dem Titel Splatter Movies Rechnung: "Splatter movies, offshoots of the horror film genre, aim not to scare their audiences, necessarily, nor to drive them to the edges of their seats in suspense, but to mortify them with scenes of explicit gore. In splatter movies, mutilitation is indeed the message." (McCarty) Während sich in jedem herkömmlich narrativen Actionfilm die inhaltliche Handlung mit dem Ende aufhebt, insofern sie nämlich einschließlich der dargestellten Gewalt nur als Mittel zum Zweck des "vertagten Glücks" (Lem) imponiert, besitzt das Splatting keine Finalität. Splatterfilme sprinten nicht unbedingt von einer Entwicklungsstufe zur nächsten. Dies bringt sie, obgleich die Differenz prima vista groß erscheint, in deutlichere Nähe zu Andy Warhols stundenlangen Experimentalfilmen als zu Actionfilmen. Splatterfilme implizieren den Aufschub ihres Endes nur gleichsam notgedrungen. Deshalb kann die Zeit in The Evil Dead reversibel sein. Splatterfilme inszenieren kein Spiel des Aufschubs auf der Ebene der Zeit, obwohl das Morgengrauen bisweilen vom Grauen zu erlösen vermag. (In The Evil Dead allerdings erfüllt sich diese Hoffnung nicht.) - sondern auf der des Raumes, nicht aber als Differierung, sondern als Verengung: Ein Opfer darf nicht fliehen können, und selbst für den "guten" Helden spitzt sich die Lage zu, weil sein Freiraum eingeengt und verdichtet ist. Der einzige Modus der Verschiebung besteht für den Splatterfilm in der seriellen Wiederholung dieser Verdichtung. Insofern Filme dieses Genres aus einem einzigen Showdown bestehen, basiert jede Verzögerung des Endes (Dilation) auf einer Produktion von Präsenz, das heißt einer Dehnung der Gegenwart (Dilatation). In Analogie zur Perversion verdrängt (oder verwirft) der Splatterfilm nicht; er stellt dar, präsentiert. Vielleicht läßt sich mit Hilfe dieser Bestimmung eine Differenz zwischen Sprach- und Sichtmedien ziehen: beschwören jene die Vergangenheit (Repräsentation), so handelt es sich bei diesen um Magie des Augenblicks (Präsentation). Deshalb auch ziehen sich schon Sades Geschichten in einem destruktiven Verhältnis zum zeitlichen Ende - "unaufhebbare Folgerung der Tortur" (Lem) - gnadenlos in die Länge. In dieser Attacke auf die Sinne vermag der Film mit dem Problem der Authentizität auf materialer Ebene zu spielen: Der Zuschauer nimmt das Filmmaterial ähnlich dem Vorgang der Traumatisierung auf. Diese materiale Ebene wird immer von formalen Elementen durchzogen: Zeitlupen- und Nahaufnahmen, der Live-Charakter verwackelter Kameraführung wie in Man Bites Dog, Schwarz-weiß-Aufnahmen wie in David Lynchs Eraserhead, in Man Bites Dog usw.

 



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