Norbert Henrichs
Einführung in die Informationswissenschaft

4. Das organisierte Informationswesen

 

I n h a l t

4.1 Anfänge (1893-1956)
4.2 Aufbruch zum modernen organisierten Informationswesen
Anhang

 

4.1 Anfänge (1893-1956)


1893
Paul OTLET und Henri LAFONTAINE gründen in Brüssel das "Office International de Bibliographie"


ab 1895
"Institut International de Bibliographie"

Ziel der Gründung: Erstellung einer Weltbibliographie in Form einer Steilkartei.

Ordnungssystem ist die von Otlet und LaFontaine auf der Grundlage der amerikanischen DEWEY-Classification entwickelte
- Universal Decimal Classification (UDC)
- Internationale Dezimal Klassifikation (DK) -

1895 Karteibestand: 400.000 Karten
1898 Karteibestand: 1,5 Mio Karten

Der Aufruf zur weltweiten Mitwirkung wird (teilweise) befolgt. Es werden Zweigbüros in Zürich und Paris eingerichtet, 1920 auch in Den Haag. Weltweit wirkt das Unternehmen fördernd auf fach- und national-bibliographische Arbeiten.



1905
Paul Otlet spricht erstmalig von Information und Dokumentation und ihrer Organisation

(Dokumentation war bis dahin ein ausschließlich juristischer Fachausdruck zur Bezeichnung urkundengestützter Beweisverfahren vor Gericht)

Im "Centralblatt für Bibliographien" werden mit Blick auf die zahllosen weltweiten bibliographischen Aktivitäten die Bemühungen der Brüsseler um Koordination ausdrücklich unterstützt: "Organisation ist, was hier not tut, erforderlich sind eine gemeinsame bibliographische Tätigkeit und deren fruchtbare nationale und internationale Zentralisation, damit die wirksamen Kräfte nicht mehr, wie es bislang leider der Fall gewesen, in ganz zweckloser Weise zerstreut und vergeudet werden."



1910
Kongreß für Bibliographie und Dokumentation anläßlich der Brüsseler Weltausstellung

Otlet erklärt das Buch für eine überlebte Einrichtung, da es nicht erweiterungsfähig sei:

"Das Buch der Zukunft ist auf einzelnen abtrennbaren Blättern gedruckt, die beliebig zusammengefügt und durch Einschaltung auf dem laufenden gehalten werden können. Anstatt eines Konversationslexikons in so und so vielen Bänden wird man in Zukunft einen Saal haben, in dem in Dossiers und auf Zetteln die Originalnotizen über jeden Gegenstand vereinigt sind."



1917
Gründung des Deutschen Normenausschuß (DNA - heute DIN-Deutsches Institut für Normung Berlin / Köln)


1928
Gründung des Fachnormenausschuß "Buch-, Bibliotheks- und Zeitschriftenwesen" in DNA (FNA Buch etc) Bearbeitung der deutschen DK-Ausgabe Zuständigkeit für die Dokumentation


1931
Umbenennung des Brüsseler "Institut International de Bibliographie" in "Institut International de Documentation"

Karteibestand der Weltbibliographie: 40 Mio Karten

Ihre Handhabung ist praktisch unmöglich geworden. Es ist dies Anlaß, über Zweck und Methode der Dokumentation nachzudenken.

1935
Prof. Fritz Prinzhorn, Direktor der Universitätsbibliothek Leipzig:

"Die Idee eines Weltrepertoriums der Literatur ist als gescheitert anzusehen. Erforderlich sind dezentrale Fachdokumentationen (Bibliographien und Referateblätter) auf nationaler Ebene, um Vollständigkeit zu erreichen.

Die Nachweisinstrumente müssen mit der Literaturversorgung verbunden werden.

Dokumentation ist daher Aufgabe von Spezialbibliotheken.

Nützlich wäre ein (Methoden-) koordinierendes nationales Referralzentrum.



1935
Walter Schürmeyer, Direktor der Bibliothek für Kunst und Technik, Frankfurt / Main tritt für die Trennung dokumentarischer und bibliographisch / bibliothekarischer Tätigkeiten ein.

Aufgabe der Dokumentation ist nicht nur der Literaturnachweis, sondern die aktive fachliche Information (Voraussetzung ist allerdings eine entsprechenden fachliche Qualifikation der Dokumentare)

Gleichwohl müssen die fachlich spezialisierten "Dokumentationszellen" (z.B. auch in Firmen und bei Verbänden) mit Bibliotheken zusammenarbeiten.

1937
1. Weltkongreß der Dokumentation

Zur weltweiten Koordinierung der nicht mehr zentral weiterführbaren bibliographisch / dokumentarischen Aktivitäten in Brüssel wird die

FÉDÉRATION INTERNATIONALE DE DOCUMENTATION (FID) (Sitz: Den Haag)

gegründet. Sie übernimmt die Verantwortung für die Fortführung der Arbeiten an der DK.



1941
Gründung der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation (DGD) auf Einladung des DNA und durch Initiative von Gen.Dir. Prüss (Preuß. Staatsbibl. und Vors. des FNA) Erster Präsident wird Prof. Prinzhorn


1893
Erste Jahres-Tagung der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation (21.-24. September in Salzburg) "Die Dokumentation und ihre Probleme"

Behandelte Themenkomplexe:

  1. Archive, Museen, Bild- und Laufbildsammlungen
  2. Dokumentation in einzelnen Fachgebieten [Chemie, Technik, Staats- und Wirtschaftswissenschaft, Statistik, Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Sozialwissenschaft, Medizin, historische Wissenschaften]
  3. Photographische Hilfsmittel in der Dokumentation [Photomikrographie, photographische Vervielfältigung]


1947
Beim DNA bildet sich ein neuer DGD-Vorstand


1948
Neugründung der DGD in Köln (Hotelschiff Bismarck und Unversität) auf der ersten Nachkriegstagung Teilnehmer: 150 Präsident wurde W. Schürmeyer


1954
Prof. Eppelsheimer, Generaldirektor der Deutschen Bibliothek, Frankfurt greift die Frage des ungeklärten Verhältnisses von Bibliothek und Dokumentation auf:

Dokumentationsstellen dienen der Industrie und Wirtschaft, "hinter ihnen ist das Tempo des modernen Wettbewerbs wirksam".

Dokumentationsstellen sind kleine bewegliche Einheiten, die den schweren mit dem wissenschaftlichen Gepäck der Menschheit beladenen Wagen der Bibliotheken "als methodische Avantgarde" vorausschwärmen.

Die Dokumentationsstellen brauchen gesellschaftliche Anerkennung.

Eppelsheimer fordert die Einrichtung einer zentralen Koordinierungsstelle (Clearing-House)

"In der Überzeugung, daß ein solches Zentrum nur in der Zusammenarbeit von Dokumentaren und Biblio- thekaren geschaffen und geführt werden kann, hat die Deutsche Gesellschaft für Dokumentation mit der Deutschen Bibliothek, unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Deutschen UNESCO-Ausschuß bei der Bundesregierung Schrit- te zu seiner Verwirklichung unternommen."



1956
Dokumentationskonferenz sozialistischer Länder in Berlin Gründung des Instituts für Dokumentation der Deutschen Akademie für Wissenschaft (der DDR)

 

4.2 Aufbruch zum modernen organisierten Informationswesen


1957
Der Weltraumerfolg der Russen (Sputnik) irritiert die westliche Welt

Die wiss. Aktivitäten sind nicht nur zu steigern, es bedarf einer erheblichen Verbesserung der Koordination wiss. Projekte und der Kommunikation der Forschungseinrichtungen untereinander.

Der Sputnik-Schock hat starke Auswirkungen auf den Ausbau der Dokumentation in den USA



1958
Einsetzung des Office of Science Information bei der National Science Foundation (NSF) zur Steuerung der nationalen Informationseinrichtungen

Bildung des Science Information Council beim Kongreß



1961
USA: Conference on Training Science Information Specialists

"Information science" is the science which investigates

  • the properties and behaviour of information
  • the forces governing the flow of information
  • the means of processing information for optimum accessibility and usability.
  • The processes include the

  • origination,
  • dissemination,
  • collection,
  • organization;
  • storage,
  • retrieval,
  • interpretation,
  • use of information."


1963
In den USA erscheint der sogen. Weinberg-Report: "Science, Goverment and Information The Responsibilities of the technical Community and the Government in the Transfer of Information"

Der Report setzt neue Maßstäbe für die Bewertung und die Bedeutung der Information und Dokumentation

"Die technische Gemeinschaft muß erkennen, daß der Umgang mit technischer Information ein bedeutender und wesentlicher Teil der Wissenschaft ist."

"Regierungsstellen müssen informationsbewußter werden"

"Neue Verfahren zur Informationbereitstellung müssen entwickelt und geprüft werden."

"Kommunikation ist ein Problem auf lange Sicht"

Stellungnahme des Präsidenten der USA

"Eine der besten Gelegenheiten, die Wirksamkeit unserer wissenschaftlichen und technischen Anstrengungen und die Leistungsfähigkeit der US-Regierungsverwaltung für Forschung und Entwicklung zu erhöhen, ist die Verbesserung unserer eigenen Fähigkeit, Informationen über laufende Forschungsvorhaben und Ergebnisse abgeschlossener Forschungsvorhaben mitzuteilen."

Dieser Bericht des Science Advisory Committee lenkt die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung eines guten wissenschaftlichen Gedankenaustausches für die modernen wissenschaftlichen und technischen Bemühungen. Er stellt einen echten Beitrag zum besseren Verständnis der Probleme wissenschaftlichen und technischen Nachrichtenaustausches dar, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Regierung, und zeigt Schritte, die zur Überwindung dieser Probleme getan werden können.

Wie der Bericht zeigt, ist eine leistungsfähige Naturwissenschaft und Technik eine nationale Notwendigkeit, und ein angemessener Gedankenaustausch ist die Voraussetzung für eine solche leistungsfähige Naturwissenschaft und Technik.

Die Beobachtungen diese Ausschusses verdienen ernsthafte Überlegungen sowohl durch die Wissenschaftler und Ingenieure aus Forschung und Entwicklung als auch seitens derjenigen, die die großen Forschungs- und Entwicklungsprogramme der US-Regierung verwalten."

 

The White House | 10. Januar 1963 | John F. Kennedy


1963
Die COMECON-Länder legen eine feste organisatorische Form für die Steuerung der Dokumentationsarbeit fest

Die DDR-Regierung gründet das ZIID Zentralinstitut für Information und Dokumentation, Berlin

 

Bundesrepublik Deutschland



1958
Die DGD beginnt mit einem Ausbildungsprogramm "Jahreslehrgänge über Dokumentation" Später folgt die förmliche Gründung des Lehrinstitut für Dokumentation (LID): heute: IID an der FH Potsdam

1962
Der Bundesrechnungshof legt dem Deutschen Bundestag die "Untersuchung über wissenschaftliche Dokumentation in der Bundesrepublik Deutschland" vor.

Er fordert höhere öffentliche Anstrengungen zur Verbesserung des Informationswesens

Konsequenzen:



1962
Gründung des Institut für Dokumentationswesen (IDW), Frankfurt (im Rahmen der Max-Planck-Ges.)


1964
Gründung der Zentralstelle für maschinelle Dokumentation (ZmD), Frankfurt (im Rahmen der Minerva-Ges.)

Das IDW koordiniert die Förderung der Dokumentation. Die ZmD bietet technische Dienstleistungen an



1964
Einrichtung eines Referates "Dokumentation" beim Ministerium für wissenschaftliche Forschung (heute BMBF: Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie)


1966
Der verantwortliche Leiter MR Dr. Lechmann verkündet "Leitsätze für eine nationale Dokumentations- u. Informationspolitik im Bereich Wissenschaft und Technik".

Verfolgt wird das Prinzip einer koordinierten Dezentralisation mit Fachgebietsgliederung.

Das IDW, Frankfurt fördert im Auftrage dieses Referates.



1967
Das Bundeskabinett verabschiedet ein Fünfjahres-Programm zur Förderung der Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Datenverarbeitung (Förderung der EDV-Industrie)

Gefördert werden auch neue Anwendungen, nämlich der Aufbau von Datenbanken
- beim Bundespresseamt
- beim Deutschen Patentamt
- beim Dokumentationszentrum
der Bundeswehr
- beim Bundessprachenamt



1968
Die Forschungsminister der OECD-Staaten verweisen auf die Bedeutung der Verfügbarkeit und des freien Austauschs von Informationen.
Der Europarat unterstützt die Empfehlung der Forschungsminister zum Ausbau der "nationalen Informations-Infrastruktur"


1969
Kurz-Rittel-Studie erscheint. Die vom BMFT in Auftrag gegebene Studie mit dem Titel:
"Die Informationswissenschaften - Ihre Ansätze, Probleme, Methoden und ihr Auf- bau in der Bundesrepublik Deutschland" fordert den Ausbau des Inf.-Wesens und der Inf.-Wissenschaften nach amerikanischem Muster.


1971
Der Bundesminister des Inneren (Genscher)legt das Konzept eines allgemeinen arbeitsteiligen Informationsbankensystems für die BRD vor.
Das System wird nicht realisiert. Es kann sich nicht gegenüber den Planungen des BMFT behaupten.


1974
Programm der Bundesregierung zur Förderung der Information und Dokumentation (IuD-Programm 1974 -1977) Das Programm, das weltweit Aufsehen erregt, erklärt eine weitgehende Planungs-, Durchführungs- und Finanzierungszuständigkeit des Bundes für den IuD-Bereich

· Ca. 650 IuD-Einrichtungen sollen vereinigt werden zu: 16 Fachinformationszentren (FIZe), 4 Informationszentren besonderer Zweckbestimmung · als Infrastruktureinrichtung soll gegründet werden die Gesellschaft für Information und Dokumentation (GID) · die Bibliotheken für die überregionale Lit.- Versorgung sollen ausgebaut werden Technik: Hannover; Wirtschaft: Kiel; Medizin: Köln; Landwirtschaft: Bonn.

Die 20 geplanten Fachinformationssysteme
Abschätzung der jährlichen Kosten der Fachinformationssysteme und Informationseinrichtungen mit besonderer Zweckbestimmung im Endausbau (ohne Kosten der individuellen Dienstleistungen)
Informationssystem geschätzte jährliche Kosten im Endausbau in Mio DM
01. Gesundheitswesen, Medizin, Biologie, Sport10-20
02. Ernährung, Land- und Forstwirtschaft 05-10
03. Chemie 10-20
04. Energie, Physik, Mathematik 10-15
05. Elektrotechnik, Feinwerktechnik, Maschinenbau10-15
06. Hüttenkunde, Werkstoffe, Metallverarbeitung 05-10
07. Rohstoffgewinnung und Geowissenschaften 04-06
08. Verkehr 08-12
09. Raumordnung, Bauwesen, Städtebau 05-10
10. Verbrauchsgüter08-12
11. Wirtschaft04-08
12. Recht10-20
13. Bildung08-12
14. Sozialwissenschaften13-18
15. Geisteswissenschaften05-08
16. Auslandskunde04-06
17. Umwelt02-04
18. Patente04-08
19. Technische Regelwerke (Normen etc)01-03
20. Forschungsinformation04-10
Summe 130-227

 

Konsequenzen

Es beginnt eine großangelegte Planung in (fast) allen Fachinformationsbereichen Eine Kernplanungsgruppe legt umfassende Planungsberichte vor.



1978
Gründung des Fachinformationszentrums 4 (Energie, Physik, Mathematik) in Karlsruhe (heute STN-International)

    Gründung der GID in Frankfurt durch Vereinigung von
  • IDW und ZmD
  • Studiengruppe für Systemforschung
  • Arbeitsgruppe Nichtnumerik des Deutschen Rechenzentrums
  • ZDok der DGD (Dokumentationszentrum für Informationswissenschaften)

Die Fachinformationsbereiche gewinnen an Profil. Zahlreiche Fachdatenbanken entstehen.



Ende der 70er Jahre:
Die wirtschaftliche Rezession bringt die Realisierung der FIZ-Planung ins Stocken;

die Entwicklung der DV-Technik und der Telekommunikation machen das zentralistische Konzept obsolet;

die Integration von IuD-Einrichtungen unterschiedlicher Trägerschaften erweist sich als äußerst schwierig;

die Länder beteiligen sich nicht am Aufbau geisteswiss. IuD-Stellen. Der Bund stellt deshalb in diesem Bereich aus finanzverfassungsrechtlichen Gründen die Förderung ein.



1980
Das Kabinett Schmidt beschließt die Einfüh- rung der Gebührenpflicht für elektronische Informationsdienste


1982
BMFT Leistungsplan Fachinformation für die Planperiode 1982 - 84

Das IuD-Programm wird fortgeschrieben. Der Schwerpunkt liegt nicht mehr auf Schaffung von Einrichtungen, sondern auf der Förderung des Aufbaus von Datenbasen und der Erschließung des Informationsmarktes durch Informationsvermittlungsstellen.



1983
Bundesrechnungshof: Gutachten über die Fachinformation in der BRD

Der Rechnungshof kritisiert das starke Engagement der Bundesregierung und fordert mehr private Initiativen



1983
Stellungnahme des BMFT zum Rechnungshof-Gutachten Die Bundesregierung macht das sogen. Subsidiaritätsprinzip zur Grundlage ihrer künftigen Fachinformationspolitik:
  • Der Staat will nur noch Starthilfe leisten, bzw. Unterstützung geben zur Stärkung internationaler Wettbewerbsfähigkeit im IuD-Bereich
  • Der Kreis der Gesellschafter der Öffentl. IuD-Einrichtungen soll erweitert werden
  • Der Staat bleibt aktiv in Bereichen seiner Zuständigkeit (z.B. im Gesundheitswesen, Umweltschutz)


1985
Fachinformationsprogramm 1985-88 der Bundesregierung, hrsg. vom BMFT

Die Bedeutung der Fachinformation für Wissenschaft, Wirtschaft, Staat und Gesellschaft wird erneut hervorgehoben. Das Verhältnis von Staat und Wirtschaft im Sinne des Subsidiaritätsprinzips wird neugeordnet. Gefördert wird alles, was dem Markt nützt und einer verbesserten deutschen Angebotssituation auf dem Inf.-Weltmarkt.



1985
Die Gesellschafterversammlung der GID beschließt die Fusion mit der GMD, Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung. (heute: Gesellschaft für Informationstechnik)

Vorwort des Fachinformationsprogramms:

"Die Bundesregierung hat die Neuorientierung ihrer Fachinformationspolitik beschlossen und ihre zukünftigen Ziele formuliert, neue Leitlinien für das Verhältnis Staat-Wirtschaft festgelegt sowie die Förderung auf Schwerpunkte konzentriert; sie wird den breiten Planungsansatz des IuD-Programms, gleichrangig 20 Fachinformationszentren einzurichten, nicht mehr weiterverfolgen.

Das Fachinformationsprogramm 1985-88 zeigt die politische Dimension der Fachinformation auf. Als Produktionsfaktor der Volkswirtschaft und Rohstoff der Zukunft ist sie eine wichtige Voraussetzung, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft und die Leistungsfähigkeit von Wissenschaft und Forschung zu erhalten und zu verbessern.

Ziel der Fachinformationspolitik der Bundesrepublik ist es deshalb:

  • das deutsche Fachinformationsangebot uns seine Nutzung auszubauen und zu verbessern, damit deutsche Fachinformationsanbieter ihre internationale Stellung stärken können; den wechselseitigen Zugang zur Fachinformation im Rahmen des grenzüberschreitenden Datenverkehrs zu sichern und durch Schaffung von Interdependenzen einseitige Abhängigkeiten und Verletzlichkeiten zu vermeiden;
  • internationale Kooperation bei Aufbau, Angebot und Nutzung von Informationsbanken und der Entwicklung eines weltweiten Informationsnetzes zu fördern.

Das Fachinformationsprogramm wurde in einem umfangreichen Beratungs- und Abstimmungsprozeß innerhalb der Bundesregierung, mit den Ländern und einer Vielzahl von Experten erarbeitet. Ein Ausschuß, dem Experten aller Bereiche (Verlage, Buchhandel, Fachinformationseinrichtungen, Bibliotheken, wissenschaftliche Gesellschaften, Verbände, Informationsvermittler) angehörten, hat es beraten und seine Verabschiedung empfohlen.

Ich würde es begrüßen, wenn die gute Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten bei der Erarbeitung des Programms auch bei seiner Umsetzung fortgesetzt würde."

Dr. Heinz Riesenhuber
(Bundesminister für Forschung und Technologie)



1987
Der BMFT legt eine "Zwischenbilanz 1986" zum Fachinformationsprogamm vor. Der BMFT stellt die Erfolge der neuen Förderungskonzeption heraus: Positiver Trend in Produktion, Angebot und Nutzung der FI in der BRD


1988
Der BMFT gibt bei der Kienbaum Unternehmensberatung eine Studie in Auftrag zur Evaluierung des Fachinformationsprogramms 1985. Die FI-Politik wird bestätigt. Verstärkt werden sollen die Anstrengungen zur Verbesserung der Nutzung der Informations-Systeme.

Die DFG hatte i.d. Zwischenzeit die Einrichtung von Informationsvermittlungsstellen (IVS) in Bibliotheken gefördert.



1990
Fachinformationsprogramm der Bundesregierung 1990-1994, hrsg. vom BMFT

Fortschreibung der voraufgehenden Programme.

Die Förderung bezieht sich auf

  • Steigerung der Nutzung der Fachinformation
    • im Hochschulbereich
    • durch kleine und mittlere Unterneh men, Handwerksbetriebe
  • Verbesserung der Produktion und des Angebots
    • Aufbau von Datenbanken
    • Verbesserung der Dokumentenlieferung
  • Forschung und Entwicklung zu rechnergestützten Übersetzungssystemen


1993
Der BMFT veröffentlicht eine Zwischenbilanz zum Fachinformationsprogramm 1990-94.

1995
Der BMBF legt den Entwurf des "Fachinformationsprogramm 1995-2000 Information als Rohstoff für Innovation"


1995
G-7 Ministerkonferenz zur Informationsgesellschaft in Brüssel.


1996/97
"Information als Rohstoff für Innovation"
Das Programm der Bundesregierung tritt mit der Laufzeit 1996 - 2000 in Kraft.
Zusammenfassung

Wissen ist der entscheidende Rohstoff für Innovationen. Grundlage für dieses Wissen sind Informationen in den Bereichen Wissenschaft, Wirtschaft und Staat:

  • wissenschaftliche und technische Informationen enthalten Ideen, Erkenntnisse und Erfindungen, die in den Schulen, Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Laboratorien der Unternehmen benötigt werden;
  • ressortspezifische Informationen (z. B. Gesundheitswesen, Landwirtschaft, Umwelt, Arbeit und Soziales) und die amtliche Statistik tragen zur Erfüllung staatlicher Aufgaben bei;
  • verfahrenstechnische und wirtschaftliche Informationen mit ihren Finanz-, Unternehmens-, Produkt-, Verfahrens- und Marktdaten ermöglichen es, neue Produkte und Fertigungsprozesse zu planen, zu entwickeln und zu vermarkten.

Die Bundesregierung verfolgt mit diesem Programm ein neues Konzept, das dazu beitragen soll, die notwendige Entwicklung der Informationsinfrastruktur in möglichst großer wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Initiative und Selbstverwaltung zu lösen.

Erstes Ziel dieses Konzeptes ist es, dazu beizutragen, den effizienten Zugang zu den weltweit vorhandenen elektronischen und multimedialen Volltext-, Literaturhinweis-, Fakten- und Software- Informationen vom Arbeitsplatzrechner zu eröffnen. Dies umfaßt die elektronischen Informationsquellen (z. B. Datenbanken und Informationssysteme zur Online- bzw. Offline-Nutzung). Dabei nehmen die elektronischen und multimedialen Informationen und Publikationen in den weltweiten Informations- und Kommunikationsnetzen - wie im Internet - ständig zu. Sie verstärken die Informationsflut, die durch neue nutzerfreundliche Informationssysteme und Suchverfahren bewältigt werden muß.

Zweites Ziel ist die Gestaltung eines grundsätzlichen Strukturwandels in der wissenschaftlichen und technischen Informationsinfrastruktur durch alle Beteiligten gemeinsam - Autoren und Leser, wissenschaftliche Fachgesellschaften, Verbände und Einrichtungen, die Fachverlage, der Fachbuchhandel, die Fachinformationseinrichtungen und wissenschaftlichen Bibliotheken-. Die Möglichkeit, daß eine Publikation einmal und nur an einer Stelle für eine weltweite Nutzung bereitgestellt werden kann, verändert die bisherige Aufgabenteilung zwischen den Beteiligten und erfordert damit einen grundlegenden Strukturwandel, der nur gemeinsam gestaltet werden kann. Die Bundesregierung geht mit den Beteiligten davon aus, daß auch in Zukunft der gedruckte und der elektronische Informationsmarkt nebeneinander bestehen werden.

Drittes Ziel ist es, daß langfristig kostendeckende Preise für Informationsprodukte und -dienst-leistungen erreicht werden. Die Bundesregierung beabsichtigt dementsprechend, sich in den Fällen aus der institutionellen Förderung zurückzuziehen, in denen die Dienstleistungen privatwirtschaftlich fortgeführt werden können.

 


 

ANHANG:

AUSSAGEN DER POLITISCHEN PROGRAMME ZUR
INFORMATIONSWISSENSCHAFTLICHEN FORSCHUNG UND AUSBILDUNG

  1. Das Rechnungshofgutachten 1962 geht davon aus, daß für die Dokumentation Fachwissenschaftler gewonnen werden können. Das Gutachten macht keine Aussage zur spezifischen Ausbildung
  2. Die "Lechmann-Thesen" messen der Ausbildung große Bedeutung bei (in Trägerschaft der DGD) soll ein Lehrinstitut für Dokumentation errichtet werden
    • zur Ausbildung u.a. von wiss. Dokumentaren (Fachdokumentare höherer Dienst)
    • Grundlagen der IuD sollen an den Hochschulen in propädeutischen Pflichtvorlesungen vermittelt werden
  3. Die Kunz/Rittel-Studie fordert in einem umfangreichen Kapitel die akademische Etablierung der Informationswissenschaften in der BRD. In Anlehnung an die Verhältnisse in den USA werden Curricula- Vorschläge unterbreitet.
  4. Das Informationsbankensystem für die BRD 1971 erwähnt das LID der DGD, nimmt aber sonst zu Ausbildungsfragen nicht Stellung.
  5. Das IuD-Programm 1974-78 spricht die Empfehlung aus, Informationswissenschaft als Studienfach an den deutschen Hochschulen einzuführen. Ein Bund-Länderausschuß sollte die Aufbauförderung prüfen. Das Programm stellt Mittel für die inf.-wissenschaftliche Forschung bereit
  6. Der Leistungsplan Fachinformation 1982-84 macht keine Aussagen zur Ausbildung Es werden aber Projektmittel für die informationswissenschaftliche Forschung ausgewiesen
  7. Das Fachinformationsprogramm der Bundesregierung 1985-88 "empfiehlt den Ländern, die für die Grundausstattung der informationswiss. Forschungsgruppen und Studiengänge erforderlichen Mittel in die Hochschuletats einzusetzen oder Mittel für Modellversuche im Hochschulbereich einzuwerben."
    Bereitgestellt werden Forschungs- nicht aber Ausbildungsmittel. Wohl wird das LID der DGD weiter gefördert.
  8. Das Fachinformationsprogramm der Bundesregierung 1990-94 verweist erneut auf die Zuständigkeit der Länder für die Ausbildung. Das Programm stellt den Hochschulen Mittel für die Verstärkung der Nutzung von elektronischer FI zur Verfügung.
  9. Das Programm "Informations als Rohstoff für Innovation" hebt die Notwendigkeit hervor in allen (Hochschul)Ausbildungsprogrammen Kompetenzen im Umgang mit elektronischen Informationen zu vermitteln, kommt aber auf die Informationswissenschaft und ihre Bedeutung für Forschung und Lehre nicht zu sprechen.